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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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Artigat zurück, dieses Mal allerdings ohne dass Martin es merkte, und unterhielt sich lange mit Bertrande. Niemand weiß, was er ihr genau sagte, aber sicher appellierte er an ihre religiösen Gefühle. Er wusste genau, dass sie sehr fromm war und vor allem furchtbare Angst vor dem Teufel und der ewigen Verdammnis hatte. Wenn ihr jetziger Lebensgefährte nicht Martin war, lebte sie wissentlich in Sünde mit ihm.
    Jedenfalls überredete er sie, eine offizielle Klage zu unterzeichnen. Diese wurde beim Richter von Rieux eingereicht, in dessen Amtsbereich Artigat fiel: »Aufforderung an besagten Arnaud du Thil, öffentlich Abbitte zu leisten, und zwar vor Gott und vor Bertrande de Rols. Barhäuptig und barfüßig, nur im Hemd, eine brennende Fackel in den Händen, soll er erklären, dass er sie falsch und verwegen getäuscht, verraten und hintergangen hat, indem er den Namen ihres wahren Mannes Martin Guerre annahm. Dies möge er bereuen und ihr zur Entschädigung zweitausend Livres zahlen.«
    In Artigat schlug das ein wie eine Bombe, das Leben blieb praktisch stehen! Der so genannte Martin Guerre wurde verhaftet und ins Gefängnis von Rieux geworfen. Der Rest steht in den Gerichtsakten.
    Der Richter, dem der Beschuldigte vorgeführt wurde, wusste nicht, was er von diesem außerordentlichen Fall halten sollte. Beim Verhör antwortete der Mann völlig selbstsicher.
    »Wie heißen Ihr Vater und Ihre Mutter?«
    »Antonio Guerre und Maria Torreada.«
    »Leben sie noch?«
    »Mein Vater starb am 15. Juni 1530. Meine Mutter verschied drei Jahre und zwölf Tage später.«
    »Erinnern Sie sich noch, wann genau Ihre Hochzeit stattfand?«
    »Am 10. Januar 1539.«
    »Wer war bei der Zeremonie zugegen?«
    »Meine Schwiegermutter, mein Schwiegervater, mein Onkel, meine Schwestern, unser Nachbar Meister Marcel mit seiner Tochter Rose, Claude Perrin, ein anderer Nachbar, der sich betrank, und der Dichter Giraud, der uns zu Ehren ein paar Verse geschmiedet hat.«
    »Welcher Priester hat euch vermählt?«
    »Der alte Pfarrer Pascal Guérin, den ich bei meiner Rückkehr nicht mehr angetroffen habe.«
    Das alles stimmte perfekt mit den Angaben in den Akten überein. Als der Richter verstummte, kam Martin Guerre an die Reihe, Fragen zu stellen.
    »Wie kommt es, dass meine Frau zwei Jahre gebraucht hat, um zu merken, dass ich nicht ihr Mann bin? In Wirklichkeit hat ihr nur mein Onkel Angst eingejagt. Hat mein Onkel bei meiner Rückkehr auch nur eine Sekunde gezögert, mich wiederzuerkennen? Er hat diese ganze Intrige nur eingefädelt, um sich für seinen verlorenen Prozess zu rächen.«
    Der Richter von Rieux war sprachlos. Im Gegensatz zur damals üblichen Verfahrensweise lehnte er es ab, den Angeklagten der Tortur zu unterwerfen. Es war nämlich durchaus möglich, dass dieser unschuldig war und unter der Folter ein falsches Geständnis abgelegt hätte. Anscheinend war die ganze Geschichte nur eine Erfindung des Onkels. Schließlich hatte seine Verurteilung beim vorangegangenen Prozess bewiesen, dass er ein heuchlerischer Geizhals war.
    Der Richter bemühte sich, gewissenhaft zu sein. Er bewies sogar eine seltene berufliche Sorgfalt und ließ nicht weniger als hundertfünfzig Zeugen kommen. Das Ergebnis war verblüffend. Alle erkannten den Angeklagten wieder, nur identifizierten sie ihn nicht als ein und dieselbe Person! Die vierzig vorgeladenen Bewohner von Artigat erkannten ihn als Martin Guerre wieder, während die hundertzehn Bewohner aus Sagias behaupteten, es handele sich um Arnaud du Thil, dem ein solches Täuschungsmanöver übrigens durchaus zuzutrauen sei. Aus all dem konnte man nur eines mit Sicherheit folgern, nämlich dass Martin Guerre und Arnaud du Thil Doppelgänger waren. Nur wen von den beiden hatte man da eingesperrt?
    Der Richter setzte die Verhöre fort in der Hoffnung, der Beschuldigte werde irgendwann gestehen oder sich durch einen Fehler selbst überführen. Tatsächlich legte er ein Geständnis ab, allerdings nicht gerade das, das man von ihm erwartet hatte.
    »Ich habe gelogen. Ich habe nämlich nicht in der Armee des französischen Königs gedient, sondern in der des König von Spanien. Das ist meine Schuld. Alles, was ich heute erleiden muss, ist nur die gerechte Strafe dafür.«
    Alle weiteren Verhöre verliefen ergebnislos. Der Angeklagte hatte auf alles eine Antwort.
    »Wie erklären Sie die Aussage des Soldaten, der behauptet, dass Martin Guerre ein Bein verloren hat?«
    »Ich wurde tatsächlich am Bein

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