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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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es seinen Opfern schließlich, ihn ausfindig zu machen und unter Anklage zu stellen, auch wenn sie dadurch ihr Geld nicht zurückbekamen. Manchmal probierte Alfred Beamon eine recht subtile Variante aus, die er glänzend präsentierte und der es auch nicht an Stil fehlte. Er sprach bei einer kleineren Bank in einer ländlichen Gegend vor und verlangte, den Direktor persönlich zu sprechen. Ein solcher Direktor, der begierig nach neuen Kunden war, empfing ihn auch bereitwillig. Innerhalb kurzer Zeit hatte ihn »der Grüne Junge« dank seiner Überredungskunst davon überzeugt, dass er einen sehr hohen Betrag bei ihm anlegen wollte. Dann bat er eher beiläufig um die Erlaubnis, das Büro des Direktors für ein paar Minuten allein benutzen zu dürfen, um eine dringende, geheime und äußerst persönliche Angelegenheit zu regeln.
    Der Direktor überließ ihm daraufhin freundlich seinen Sessel und ging hinaus, damit sein zukünftiger Kunde seine Geschäfte ungestört abwickeln konnte. In diesem Augenblick betrat ein Komplize von Alfred Beamon, der draußen auf der Lauer gelegen hatte, die Bank. In seiner Begleitung befand sich ein Unbekannter. Beamon öffnete den Herren die Tür zum Zimmer des Direktors. Einige Minuten später verließ jener Unbekannte mit einem zufriedenen Lächeln die Bank wieder. Er hatte soeben alles oder zumindest einen Teil seiner Ersparnisse oder seines Vermögens dem »Direktor« der Bank übergeben, in diesem Falle Alfred Beamon, der ihn in seinem Büro empfangen hatte.
    Als der Unbekannte einige Tage später seinen Irrtum erkannte, erstattete er Strafanzeige. Häufig wurde sogar der echte Bankdirektor beschuldigt, gemeinsame Sache mit dem Angeklagten gemacht zu haben. Aber alle schönen Geschichten sind irgendwann zu Ende. Und auch »der Grüne Junge« hatte nun seine »Laufbahn« auf dieser Erde beendet.
     

Martin Guerres Frau
     
    Von allen Formen des Betrugs ist die Hochstapelei der Betrug par excellence, der absolute Schwindel sozusagen, weil man sich dabei für eine andere Person ausgibt, ihre Identität annimmt. Ein Betrüger lügt, täuscht und fälscht, aber sobald er seinen Coup gelandet hat, wird er wieder er selbst. Ein Hochstapler hat diese Möglichkeit hingegen nicht. Er verschmilzt mit seiner Lüge, er lebt seine Lüge, er ist seine Lüge. Er hat ein für alle Mal beschlossen, seine eigene Persönlichkeit aufzugeben, um eine erfundene anzunehmen. Die muss er dann bis zum bitteren Ende verkörpern, ganz gleich, welche Folgen das haben mag.
    Im Laufe der Geschichte gab es regelmäßig Hochstapler. Meistens nahmen sie die Identität großer Persönlichkeiten an, die unter rätselhaften Umständen verstorben waren. Dennoch ereignete sich das bemerkenswerteste Beispiel dieser Art im 16. Jahrhundert in einem unbedeutenden französischen Dorf und einer ebenso unbedeutenden Bauernfamilie. Alexandre Dumas gewann daraus den Stoff für eine hübsche Erzählung, die vor nicht allzu langer Zeit erfolgreich verfilmt wurde. Es handelt sich um die Geschichte von Martin Guerre.
    Unserer Meinung nach haben jedoch sowohl das Buch als auch der Film gerade den ergreifendsten Teil dieses außerordentlich menschlichen Abenteuers nicht genug herausgestrichen. Ein Hochstapler oder eine Hochstaplerin kann jeden täuschen, außer den eigenen Ehepartner. Martin Guerres Frau muss den Schwindel von Anfang an durchschaut haben, doch wurde sie lieber zu seiner Komplizin. Sie hat den Hochstapler geliebt, sie hat mit ihm gehofft und gezittert und sie hat alles mit ihm geteilt. Im Guten wie im Bösen.
     
    Am 10. Januar 1539 feierte man in Artigat bei Toulouse die Hochzeit zweier Kinder. Die Braut, Bertrande de Rols, zählte erst zehn Jahre, während der Bräutigam, Martin Guerre aus Hendaye im Baskenland, gerade elf war. Martins Onkel, Pierre Guerre, hatte sich das ausgedacht, um in Zukunft ein Maul weniger stopfen zu müssen. Obwohl Pierre Guerre der reichste Mann im Dorfe war, galt er nämlich allgemein als Geizhals. Nach dem Tod von Martins Eltern hatte er den Jungen aufgenommen, doch nun fand er, er habe des Guten genug getan. Sein Neffe sollte sich jetzt mit Bertrandes Mitgift durchfüttern.
    Eine solche Trauung war ungewöhnlich. Damals kamen sie höchstens aus diplomatischen Gründen im Hochadel vor, mit Ausnahme einiger Landstriche im Südwesten Frankreichs, wo es Sitte war, sehr jung in den Stand der Ehe zu treten. Trotzdem hatte sich der Pfarrer von Artigat zunächst gesträubt, diese Vermählung zu

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