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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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groß unser Sohn geworden ist.«
    Im kleinen Dorf Artigat freuten sich alle über das Glück der Familie Guerre. Wie sich die beiden verändert hatten! Martin war völlig verwandelt. Das Soldatenleben hatte ihm den nötigen Schliff verliehen, ihn umgänglicher gemacht, sodass er jetzt mit jedermann gut auskam. Verwunderlich war nur, dass er kein Baskisch mehr verstand, während er sich früher, wenn ein Landsmann durchs Dorf kam, immer gern in dieser Sprache unterhalten hatte. Er erklärte das so, dass er in der fernen Picardie, im Umgang mit all den Nordfranzosen, den Dialekt seiner Heimat verlernt habe.
    Alles wurde von Bertrandes Verwandlung übertroffen. Sie, die bis dahin nur Kummer erlebt hatte, blühte in ihrem neuen Eheleben regelrecht auf. Zumal Martin, offenbar um sein früheres Betragen wieder gutzumachen, unendlich aufmerksam und liebevoll war. Und zur Krönung dieses Glücks brachte sie neun Monate nach Martins Rückkehr eine Tochter zur Welt.
    Dieses idyllische Bild hatte nur einen dunklen Fleck, nämlich den Onkel, Pierre Guerre. Anfangs freute er sich wie alle anderen über Martins Rückkehr. Er lachte schallend, als ihm sein Neffe scherzhaft die Strafen in Erinnerung rief, die dieser ihm in seiner Kindheit aufgebrummt hatte. Doch änderte sich plötzlich alles, als die Rede auf Geld kam.
    Nach Martins Flucht hatte Pierre Guerre die Ländereien des Ehepaares auf eigene Rechnung bewirtschaftet und wollte von dem Geld, das er in der ganzen Zeit verdient hatte, keinen Heller herausrücken. Er erklärte, sie seien quitt, weil er ja für Bertrandes und Sanxis Unterhalt aufgekommen sei. Martin Guerre wollte davon jedoch nichts wissen, sondern forderte das ihm zustehende Einkommen. Da der alte Knauser alles rundheraus abschlug, strengte Martin einen Prozess gegen ihn an, den er auch gewann. Pierre Guerre musste ihm für jedes Jahr seiner Abwesenheit vierhundert Livres zahlen, also insgesamt dreitausendzweihundert Livres.
    Damit nahm die eigentliche Affäre Martin Guerre ihren Anfang, und zwar einzig und allein wegen der Habgier eines Bauern, der sein Geld zurückbekommen wollte.
    Pierre Guerre zahlte die dreitausendzweihundert Livres, was sollte er auch sonst tun? Mehr noch, er erkannte seine Fehler an und schlug sofort ein, als sein Neffe ihm Versöhnung anbot. Doch das war alles nur geheuchelt. Er wollte Zeit gewinnen, um einen Gegenangriff vorzubereiten.
    Ihm war nämlich eine glänzende Idee gekommen. Der Mann, der sich ihm widersetzt und seinen Prozess gewonnen hatte, war gar nicht Martin Guerre. Er ähnelte ihm, er hatte dieselbe Stimme, er verhielt sich entsprechend und er wusste alles über sein Leben, doch er war es nicht. Martin war plump, dumm und verklemmt, Martin hatte immer vor ihm gezittert und wäre niemals so selbstsicher aufgetreten. Der Mann, der im Haus der Familie Guerre wohnte, Bertrandes Bett teilte und ihr ein Mädchen geschenkt hatte, war ein Hochstapler. Den wollte er entlarven.
    Scheinbar gegen jede Vernunft, mit unglaublicher Geduld und Verbissenheit, begann der alte Pierre Guerre seine Nachforschungen. In Artigat war nichts zu machen, alle hatten Martin wieder erkannt und waren bereit zu schwören, dass er es war. Also musste er weiter weg suchen. Und das Glück lachte ihm. In einem Nachbardorf enthüllte ihm der Gastwirt etwas Verblüffendes. Ein alter, durchreisender Soldat, dem er von Martin Guerres Heimkehr erzählt hatte, hatte laut ausgerufen: »Unmöglich! Der ist noch immer im Norden und hat ein Holzbein. Sein eigenes hat er bei der Belagerung von Saint-Quentin verloren.«
    Das genügte Pierre Guerre, um nach Artigat zurückzukehren und seinen Gegner öffentlich als Hochstapler zu beschimpfen. Dies artete in einer wilden Prügelei aus, bis Bertrande die Kampfhähne trennte.
    »Ich kann ihn doch wohl am besten erkennen, oder? Das ist mein Gatte.«
    Da alle anderen derselben Meinung waren, wurde der Alte, der offenbar nicht nur geizig, sondern dazu noch ein schlechter Verlierer war, empört vor die Tür gesetzt. Doch gab dieser deswegen noch lange nicht auf. Er durchstreifte weiter die Gegend und entdeckte schließlich einen wichtigen Hinweis. Der Mann, der nach Artigat gekommen war, sah einem Burschen aus Sagias, einem Dorf ganz in der Nähe, zum Verwechseln ähnlich. Es handelte sich um Arnaud du Thil, einen Nichtsnutz, der bereits mit der Justiz in Konflikt geraten war und sich als Soldat hatte anwerben lassen, um allem Ärger zu entgehen.
    Pierre Guerre kehrte nach

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