Die blutende Statue
Martinique, auf Carolines Anzeige geantwortet hatte. Das Foto des Mannequins, das er daraufhin zugeschickt bekam, erzielte die gewünschte Wirkung. Als sie von Heirat sprach, opferte er ohne zu zögern sein letztes Geld, um ihr die Reise zu spendieren. Aber als er zurückgewiesen wurde, glaubte er zu Recht oder zu Unrecht Opfer eines Vertrauensbruchs geworden zu sein. Das hübsche Model hatte nie vorgehabt, wen auch immer zu heiraten, sondern sich nur einen nicht gerade eleganten Weg ausgedacht, um sich eine Reise in die Antillen finanzieren zu lassen.
Damit hätte die Geschichte zu Ende sein können. Aber Benjamin Lefrançois war nicht auf den Kopf gefallen. Er ließ von Carolines Foto fünfzig Abzüge anfertigen und gab in einer Pariser Zeitung ein Inserat auf. Darin gab er seine eigene Adresse an und fügte nur den Namen des Mädchens auf dem Briefkasten hinzu. Anschließend musste er nur noch, mit Unterstützung der Fotos, alle feurigen Briefe beantworten. Die anderen Jungen waren genauso leichtgläubig wie er selbst. Es reichte, das Wort Heirat zu erwähnen, und schon schickten sie das Geld für die Reise. Eine großartige Revanche! Und eine elegante Art, die Sache zu seinen Gunsten zu wenden! Diesen Lefrançois hätte Inspektor Rolland wirklich zu gern aufgespürt.
Zu seinem Pech und zum Leidwesen der Moral dieser Geschichte wurde Benjamin Lefrançois nie verhaftet. Die fünfundzwanzigtausend Franc, die er von seinen Opfern ergaunert hat — 1963 war das eine beachtliche Summe — , haben sicher gereicht, endgültig der Armut zu entfliehen. Trotzdem hatte er bei der ganzen Sache unerhörtes Glück.
Aber war das verwunderlich? Hatte nicht alles damit begonnen, dass er Pech in der Liebe hatte?
Gefälschte Papiere
Vereinigte Staaten, 1938. Mrs Frank G. Bayer war beunruhigt. Vor einer Stunde war das Frühstück serviert worden, doch ihr Mann war noch immer nicht erschienen. Er pflegte um diese Zeit ein Bad zu nehmen, aber an jenem Morgen schien sich das Bad reichlich hinzuziehen. Mrs Bayer läutete nach dem Diener und trug ihm auf nachzuschauen. Ein paar Minuten später beschloss sie, die Tür zum Bad aufzubrechen, nachdem ihr Mann auf kein Rufen antwortete. Man fand ihn schließlich in der Badewanne. Frank G. Bayer hatte sich die Pulsadern aufgeschnitten und war tot. Dazu muss gesagt werden, dass er seit einiger Zeit ziemlich große Sorgen zu haben schien. Er war eine der Führungskräfte von Whitehouse Chemical Products und Leiter der Abteilung »Rohstoffe«, also der Grundstoffe, die für die Herstellung vieler Produkte, die den guten Ruf der Firma begründeten, erforderlich sind. Er war sehr verärgert gewesen über den Plan der Direktion, der vorsah, einen Teil des Rohstoffbestands in Geld umzusetzen. Dies war nämlich der einzige Posten der Firma, der gegen alle Widerstände und ungeachtet der internationalen Konjunktur ständig Gewinn abwarf.
Das Vorhaben der Direktion brachte Frank G. Bayer umso mehr auf, als sein Bestand im Wesentlichen nur auf dem Papier vorhanden war. Bayer war Meister darin, die Buchhaltung zu manipulieren, Bestellungen zu türken, Quittungen zu fingieren und Rechnungen zu fälschen. Im Übrigen war er aufgrund dieser Manipulationen, die so geschickt waren, dass er alle Experten austricksen konnte, von Whitehouse eingestellt worden. Damals hatte er als einzige Referenzen nur seine glänzenden Ergebnisse als Chef einer kleinen Firma für Haartonikum, der Wonder Hair Cream , aufzuweisen gehabt. Diese Ergebnisse waren umso viel sagender, als sie gefälscht waren. Und das war gar nicht schwer gewesen, da der Hauptkunde der Wonder Hair Cream, die International Trading Co F. G., von Bayers Bruder geleitet wurde, der mit Familiennamen seltsamerweise Cipollo hieß. Niemand außer diesen beiden wusste, dass die einträglichen Geschäfte der Import-Export-Firma zum größten Teil auf der Herstellung falscher Papiere, die sie in ihrem kleinen Büro in Brooklyn anfertigten, beruhte.
Die beiden hatten große Erfahrung auf diesem Gebiet. Während der Prohibition, als ganz Amerika jeden gepanschten Alkohol schluckte, weil es nicht möglich war, ungehindert einen besseren zu konsumieren, verkauften die Brüder Cipollo ganz einfach ein »Haartonikum« unter einer anderen Bezeichnung. Niemand wäre auf die Idee gekommen, sich damit die Kopfhaut einzureiben, und die meisten Kunden beeilten sich, dieses Tonikum zu destillieren, um parfümierten Alkohol daraus zu gewinnen, der sich dann in
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