Die blutende Statue
Juwelierladens Delmaux damit einverstanden. Offensichtlich gab es keine Probleme. Der Privatsekretär bat dann den kaufmännischen Leiter des großen Juweliergeschäfts an der Place Vendôme, sich genau aufzuschreiben, was für Schmuckstücke der Präsident für seine Familie vorgesehen hatte.
Noch am selben Nachmittag fuhr, wie verabredet, ein Wagen diskret vor dem Elysée-Palast vor. Der Chauffeur übergab dem Personal ein Dutzend Schatullen, die Diamanten, Smaragde, Rubine, Saphire und weitere schöne Schmuckstücke enthielten, welche von weltweit bekannten Goldschmieden angefertigt worden waren. Die Wachleute waren etwas erstaunt, doch der Vertreter des Geschäfts Delmaux erklärte ihnen, worum es ging: um Schmuck, der dem Präsidenten vorgelegt werden sollte und der in jedem Fall an einem sicheren Ort verwahrt werden musste. Ein Angestellter des Juwelierladens würde ihn dann wieder abholen. Dies geschah auch.
Eine Stunde später fuhr ein weiterer Wagen vor dem Elysée-Palast vor. Ein elegant gekleideter Herr mit weißem Schnurrbart, diskret mit einem Abzeichen der Ehrenlegion geschmückt, stellte sich vor: »Ich bin Louis-Armand Delmaux, der Inhaber des Juweliergeschäfts Delmaux, das Sie sicherlich kennen. Hier ist übrigens mein Ausweis.«
Und der ehrenwerte Gentleman reichte dem Wachpersonal einen Pass, den die Beamten aufmerksam studierten. Der Herr fuhr fort, ohne den Wachleuten viel Zeit zu lassen, ihn danach zu fragen, was ihn eigentlich hierher führe:
»Der Präsident wollte ein paar Schmuckstücke anschauen, um Geschenke für seine Familie auszuwählen. Vor einer Stunde haben meine Angestellten den Schmuck hierher gebracht. Leider hat mich sein Privatsekretär gerade angerufen, um mir mitzuteilen, dass der Präsident heute doch keine Zeit hat, sich die Juwelen anzusehen. Ich möchte nun meinen Schmuck wieder abholen. Ich werde ihn in ein bis zwei Tagen erneut hierher bringen lassen, wenn der Präsident mehr Zeit hat. Wenn Sie erlauben, nehme ich mein Eigentum wieder an mich.«
Der Chauffeur mit der tressenverzierten Mütze beeilte sich, die Schatullen, die noch ungeöffnet waren, im Kofferraum des Fahrzeugs zu verstauen. Dann fuhr er, gemeinsam mit dem älteren, distinguiert aussehenden Herrn, mit unbekanntem Ziel davon. Es war der Betrug des Jahrhunderts, denn wie man sich denken kann, war der Anruf von Monsieur Dumoulin des Aigrets bei dem Juweliergeschäft Delmaux fingiert und auch der Pass, den die Wachleute des Palasts zu sehen bekamen, war gefälscht. Der so genannte Monsieur Delmaux war trotz seines respektablen Auftretens lediglich ein Vorbestrafter, der über ungewöhnliche Kühnheit und Kaltblütigkeit verfügte.
Doch zum Pech für die Urheber dieses sensationellen Coups begingen sie bei der Umsetzung einen kleinen Fehler. Als sie telefonisch die Liste der Schmuckstücke durchgaben, die der Präsident der Republik als Geschenke für seine Lieben begutachten wollte, trugen sie etwas zu dick auf. Der kaufmännische Leiter des Juweliergeschäfts Delmaux, der zuerst begeistert über diesen Auftrag und die damit verbundene Werbung für sein Juweliergeschäft war, bekam plötzlich Zweifel. Und je länger die Liste wurde, desto größer wurden seine Zweifel. Als er den Telefonhörer schließlich auflegte, wurde ihm klar, dass da gerade ein Riesenbetrug im Gange war, auch wenn man zugeben musste, dass er raffiniert eingefädelt worden war. Er benachrichtigte die Polizei. Diese nahm Kontakt mit dem Sekretariat des Präsidentenpalasts auf. Die Antwort ließ nicht lange auf sich warten. Sie war eindeutig. Der Präsident hatte in keinem Augenblick erwogen, Schmuck zu kaufen.
Als der Angestellte des Juwelierladens Delmaux die kostbar verzierten Schatullen im Elysée-Palast ablieferte, waren diese leer. Und als der falsche Monsieur Delmaux eine Stunde später dort vorsprach, um sie abzuholen, übergab man sie ihm ohne weiteres, da man ja wusste, dass sie keinen Schmuck enthielten. Ein paar hundert Meter vom Elysée-Palast entfernt keilten getarnte Polizeiautos den falschen Monsieur Delmaux und seinen Chauffeur ein und zwangen sie anzuhalten. Dann nahm man sie fest.
Der König der Antipoden
Alter bretonischer Adel, dabei denkt man gewöhnlich an eine ganz eigene Welt: an Ritter, Merlin, die Tafelrunde und du Guesclin, aber auch an Schollenverbundenheit und an absoluten Respekt vor der Tradition. Natürlich sind das nur Klischees und meistens ist die Wirklichkeit völlig anders. Aber im
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