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Die blutende Statue

Die blutende Statue

Titel: Die blutende Statue Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Pierre Bellemare
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hoch gewachsenen Mannes im schwarzen Gehrock mit den Orden am Aufschlag, der sich auf der Anklagebank ganz klein zu machen versuchte.
    Vrain-Lucas erkannte die Fakten an. Er hatte 27345 Fälschungen für insgesamt einhundertfünfzigtausend Franc an Michel Chasles verkauft. Man rief das Opfer in den Zeugenstand. Trotz des kaum verhohlenen Gekichers der Zuschauer war der Akademiker um Würde bemüht. Seine Aussage begann mit: »Wir stammten aus derselben Gegend...«
    Anschließend erzählte er, wie er hereingelegt worden war, obwohl er immer nur respektvoll von »Monsieur Lucas« sprach. Daraufhin stellte ihm der Richter die Frage, die allen auf der Zunge brannte: »Aber, Monsieur, wie konnten Sie je glauben, dass Cäsar, Kleopatra, Archimedes, Attila und so viele andere Altfranzösisch gesprochen haben?«
    Der Gelehrte gab eine Antwort, die immerhin ein wenig beruhigend klang.
    »Natürlich habe ich Monsieur Lucas danach gefragt. Er sagte mir, dass es sich um Kopien handele, die in der Abtei von Tours angefertigt worden wären. Die Mönche hätten Korrespondenten in allen Ländern gehabt, die ihnen die Originale beschafften. Rabelais gehörte angeblich zu denen, die die Übersetzungen angefertigt haben.«
    Trotzdem! Lazarus in Marseille, Aristoteles bei den Druiden, Cäsar und Vercingetorix, die Höflichkeitsfloskeln austauschen. Und um Attila übersetzen zu können, hätte der Hunnenkönig erst einmal des Schreibens kundig sein müssen, was kaum mit dem übereinstimmte, was man über diesen Menschen wusste. Als sich der arme Chasles zurückzog, kugelte sich das Publikum vor Lachen. Rufe erschallten: »Eine Eselsmütze für den Akademiker!« Vergeblich schrie sich der Gerichtsvorsitzende die Kehle aus dem Leib: »Das ist schließlich keine Spelunke! Ich lasse die Wache rufen!«
    Von der allgemeinen Stimmung ermutigt, hielt Helbronner, der junge Anwalt von Vrain-Lucas, ein donnerndes Plädoyer. Als schlagendes Argument berief er sich auf den Patriotismus des Angeklagten. So kurz vor dem Französisch-Preußischen Krieg machte das durchaus Eindruck.
    »Mein Klient hat Frankreich immer verteidigt, und zwar nicht nur mit der Korrespondenz Pascal-Newton. Thales erteilt Ambigat, dem König der Gallier, Ratschläge zur rechten Regierungsweise, Alexander stimmt gegenüber Aristoteles eine Lobeshymne auf Gallien und die Gallier an, Kleopatra schickt Cäsarion nach Marseille und Lazarus beschließt, dort seinen Lebensabend zu verbringen. Ist das nicht bewundernswert?«
    Der Saal erzitterte unter dem Beifallsgeschrei. Nur mit größter Mühe konnte zur Verlesung des Urteils Ruhe hergestellt werden. Vrain-Lucas wurde zu zwei Jahren Gefängnis und fünfhundert Franc Geldstrafe verurteilt, was ihm immerhin einen Gewinn von 149500 Franc ließ. Niemand weiß, wozu er sie verwendet hat, nachdem er die Strafe abgesessen hatte. Danach verliert sich nämlich seine Spur.
    Am erstaunlichsten ist jedoch, dass Chasles nie an seine Schuld geglaubt hat. Noch Jahre später erklärte er: »Es ist unmöglich, dass die vielen Briefe aus der Hand eines einzigen Menschen stammen, der weder Latein noch Italienisch beherrscht und keine Ahnung von den Wissenschaften hat, von denen in diesen Dokumenten die Rede ist. Das Geheimnis ist also noch längst nicht gelüftet und man sollte keine voreiligen Schlüsse ziehen.«
    Er ließ nie auch nur den geringsten Groll auf den Betrüger erkennen und vermachte bei seinem Tod im Jahre 1880 das gewaltige Konvolut an Fälschungen der Nationalbibliothek. Dort befinden sich die Briefe noch immer und wenn Sie die nötige Genehmigung besitzen, können Sie sie dort auch einsehen.
    Falls Sie Lust dazu verspüren.
     

Betrug im Elysée-Palast
     
    Frankreich, 1979.
    »Hallo, spreche ich mit dem Schmuckgeschäft Delmaux? Ich heiße Dumoulin des Aigrets und bin der Privatsekretär des Präsidenten. Ich rufe aus dem Elysée-Palast an. Zu Weihnachten möchte der Präsident seiner Gattin und seinen Lieben ein paar schöne Geschenke überreichen. Wären Sie so liebenswürdig, verschiedene Diamantencolliers, Broschen und Armbänder in den Präsidentenpalast zu bringen? Sie können den Schmuck beim Hausmeister des Elysée-Palasts hinterlegen, so gegen sechzehn Uhr, und dann die Juwelen spätestens gegen achtzehn Uhr wieder abholen. Bis dahin wird der Präsident sie sich angesehen haben und Ihnen morgen früh mitteilen, wofür er sich entschieden hat.«
    Am anderen Ende der Leitung erklärte sich der kaufmännische Leiter des

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