Die Bluterbin (German Edition)
Heilige Jungfrau persönlich aus dem Himmel herabgestiegen war, um sich der Leidenden anzunehmen.
Marie hatte die Kapuze ihres Umhangs höher geschlagen, um unerkannt zu bleiben, doch es half nur wenig. Die Menschen auf den Straßen redeten von nichts anderem als von Marie und den Wundern, die um sie herum geschahen. Immer wieder kam es zu Tumulten, sobald einer der Pilger sie entdeckt hatte, und dann dauerte es nicht lange, und sie waren von fremden Menschen umringt, die geheilt werden wollten oder einfach nur neugierig waren.
Robert hatte deshalb insgeheim beschlossen, im nächsten Dorf neue Vorräte zu erwerben und dem Vorschlag des Kaufmanns zu folgen, fern der überfüllten Wege weiterzureisen. So konnte es einfach nicht länger weitergehen. Er musste Marie vor all diesen Menschen schützen.
Darüber hinaus war das zunehmende Aufsehen, das Marie erregte, für sie weitaus gefährlicher, als Räuber und Wegelagerer es je sein konnten.
Marie folgte der Frau zu einem Karren, auf dessen hinterem Teil ein kleines Mädchen lag, das in mehrere Decken eingehüllt war. Sein schmerzverzerrtes Gesicht glühte vom Fieber, und es hielt seinen Bauch umfasst, der unnatürlich aufgequollen war.
Das Mädchen atmete schwer und schien kurz davor, die Besinnung zu verlieren, als Marie ihm zärtlich eine dunkle Locke aus der heißen Stirn strich.
Bei Maries Berührung öffnete es mühsam die Augen.
„Verrätst du mir deinen Namen?“, fragte Marie es freundlich und beugte sich etwas weiter zu ihm herunter.
Die Kleine starrte sie zunächst ängstlich an, doch unter Maries Blick entspannten sich ihre Züge auf wundersame Weise, und ihr Atem wurde ruhig und gleichmäßig.
Die fahle Blässe in ihrem Gesicht verschwand, und immer noch starrte sie Marie in die dunkel glänzenden Augen.
Ein Lächeln breitete sich auf ihrem jetzt rosig werdenden Gesicht aus.
Die Frau fiel vor Marie auf die Knie.
„Sie ist eine Heilige“, stammelte sie und schlug ein Kreuzzeichen.
Marie jedoch begann zu wanken, und Robert fing sie auf, als sie bewusstlos zusammensank. Er barg ihr Gesicht an seiner Brust und hielt sie fest an sich gepresst, um die furchtbaren Krämpfe, die ihren zarten Körper schüttelten, zu mildern. Dabei fiel es ihm schwer, die Blicke der Neugierigen zu ertragen, in denen er sowohl Entsetzen als auch unverhohlene Sensationslust lesen konnte. Mehrere Pilger hatten den Vorfall beobachtet, und als die Mutter des Kindes laut zu beten begann und Gott für die Rettung ihres Kindes dankte, fielen sie in ihr Gebet ein.
Die Frau schlug ein Kreuzzeichen und nahm ihr Kind auf den Arm.
„Ihr könnt sie auf den Wagen legen“, sagte sie zu Robert. „Das ist das Mindeste, was wir für sie tun können, nachdem sie das Leben unseres Kindes gerettet hat“, fuhr sie nach einem raschen Seitenblick auf ihren Mann fort, der den Wagen lenkte.
Der Mann nickte zustimmend. Seine Frau wusste immer, was richtig war, und er vertraute ihr, obwohl ihm das, was geschehen war, doch ein wenig unheimlich war.
Robert bettete Marie auf den Wagen und breitete die Decke, die ihm die Frau für Marie gegeben hatte, schützend über ihr aus. Während er neben dem Wagen herlief, fielen ihm plötzlich die Worte von Maries alter Magd, Elsa, wieder ein.
Sie hatte von der alten Sumpfmalfica gesprochen und davon, dass Maries Krämpfe verschwinden würden, sobald sie keine Jungfrau mehr wäre.
Ob das wohl stimmte? Jedenfalls genoss die Alte im Sumpf keinen guten Ruf in der Stadt, obwohl einige der Bürgerfrauen auf ihre Mittel schworen. Wie dem auch sei, er wollte Marie in keinem Fall in Verlegenheit bringen oder falsche Hoffnungen in ihr wecken.
Andererseits hatte sie ein Recht darauf, es zu erfahren. Nachdem er nicht wusste, wie er sich entscheiden sollte, schob er den Gedanken erst einmal wieder beiseite. Das Wichtigste war zunächst, so schnell wie möglich Flandern zu erreichen. Sobald sie dort wären, konnte er seinem Vater eine Nachricht zukommen lassen und ihn bitten, seine Verlobung zu lösen.
Die Sonne schien immer noch heiß vom Himmel, und die darauf folgende Nacht war klar und mild.
Robert übernachtete zusammen mit Marie bei der Pilgerfamilie, die auf einer blühenden Wiese vor dem Dorf ihr Lager aufgeschlagen hatte. Andere taten es ihnen gleich. Überall wurden Feuer entzündet, an denen die Menschen ihr Essen zubereiteten.
Der Zeitpunkt, um allein weiterzuziehen, war nun gekommen, und am nächsten Morgen kaufte er so viele Vorräte ein, wie
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