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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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hielt nun Ausschau, in der Hoffnung, Marie in dem nicht enden wollenden Strom von Pilgern zu entdecken.
    Er würde alles darum geben, sie noch einmal sehen zu dürfen.
    Als der letzte Pilger das Dorf verlassen hatte, standen ihm jedoch vor lauter Enttäuschung Tränen in den Augen. Er wischte sie fort und lief zurück zur Werkstatt. Aber auch dort hielt er es nicht lange aus. Die Unruhe trieb ihn zurück zu der kleinen Holzkapelle, in der jeder Fremde den Segen Gottes für seine Weiterreise erflehte.
    Er setzte sich auf die Stufen vor der Kapelle und starrte in den grauen Himmel, bis ihn die Müdigkeit übermannte. Sein Kopf sank auf seine Brust, und er schlief ein.
    Schließlich weckte ihn sein knurrender Magen. Die Mittagszeit war längst vorbei, und es würde nicht mehr lange dauern, bis die nächste Pilgerschar das Dorf erreichte. Aber noch blieb genügend Zeit, um nach Hause zu laufen und sich ein Stück Brot zu holen.
    Er wollte gerade aufstehen, als eine junge Frau, begleitet von einem Edelmann, auf die Kapelle zukam. Der Junge glaubte zu träumen und rieb sich den letzten Schlaf aus den Augen. Mit großen Augen starrte er auf Marie, die ihm freundlich zulächelte.
    „Du bist doch der kleine Beutelschneider aus Bourges? Hast du also dein Versprechen, niemanden mehr zu bestehlen, gehalten?“, fragte ihn Robert, der den Jungen ebenfalls sofort erkannt hatte.
    Das Gesicht des Jungen glühte vor Stolz.
    „Ich stehle nicht mehr, sondern arbeite bei Meister Raymond, dem Sattler.“
    Es gelang ihm nicht, seinen Blick von Marie zu wenden.
    „Ihr habt mich vor dem Büttel gerettet, seid Ihr ein Engel?“, platzte es aus ihm heraus. Marie schüttelte verneinend den Kopf. Die offensichtliche Bewunderung des Jungen machte sie verlegen. Zögernd strich sie ihm über das zerzauste rote Haar. Er spürte ihre weiche Hand auf seinem Kopf und fühlte sich wie in seinem Traum. Entschlossen stand er auf und reckte sich, um größer zu wirken.
    „Gestern war ein Kerl bei meinem Meister und hat sich den Sattel reparieren lassen. Er hat nach Euch gefragt.“
    „Wie sah er denn aus?“, wollte Robert wissen. Er hatte geahnt, dass der Bischof keine Ruhe geben würde.
    „Er ist klein, dünn und hat gelbe Haare. Ich habe hier auf Euch gewartet, um Euch zu warnen. Ich glaube, er hat nichts Gutes im Sinn.“
    „Wir wollten nur etwas Brot und Käse kaufen und dann weiterziehen.“
    Der Junge überlegte.
    „Ich bringe Euch am besten zu meinem Meister, dort könnt Ihr Euch ausruhen, und ich besorge unterdessen alles, was Ihr braucht.“ Sein Blick glitt über Maries und Roberts Kleidung.
    „Vielleicht wäre es besser, wenn Ihr außerdem eine etwas weniger auffällige Kleidung tragen würdet“, gab er zu bedenken.
    Robert hob erstaunt seine Augenbrauen. Der Gedanke war ihm noch gar nicht gekommen.
    „Du hast recht“, sagte er schließlich zu Fuzz und lächelte ihn an, worauf ihnen der Junge voranlief. Er hatte dem Meister von seinem Engel erzählt, doch der hatte nur gelacht.
    „Vom Träumen kann man nicht leben, geh zurück an deine Arbeit“, war seine Antwort gewesen. Jetzt konnte er sich selbst davon überzeugen, dass er nicht geträumt hatte, und würde ihm glauben müssen.
    Meister Raymond war gerade dabei, Leder zuzuschneiden, als der Junge mit Marie und Robert die Werkstatt betrat.
    Prüfend betrachtete er die beiden Fremden. Seine Augen trafen sich mit den dunklen Augen des Mädchens, und ihm wurde warm ums Herz. Ohne dass der Junge etwas sagte, wusste er, wer dieses Mädchen war. Er legte das Leder zur Seite und nahm Maries Hände.
    „Der Junge hat mir von Euch erzählt“, sagte er freundlich. „Bitte setzt Euch und seid meine Gäste.“
    Während der Junge zum Markt lief, um Vorräte zu besorgen, brachte Meister Raymond ihnen Brot, Wein und Käse an den Tisch und beobachtete Marie und Robert nachdenklich beim Essen.
    „Darf man fragen, wohin die Reise geht?“, fragte er und füllte noch einmal die Becher seiner Gäste. Robert betrachtete ihn prüfend.
    „Wir sind unterwegs nach Flandern, ich habe dort Verwandte.“
    „Vielleicht wäre es besser, Ihr würdet Euch einer Gruppe von Kaufleuten anschließen und in deren Schutz weiterreisen“, gab der Meister gerade zu bedenken, als der Junge mit einem prall gefüllten Bündel auf dem Rücken zurückkehrte. Über dem Arm trug er zwei ungefärbte Mönchskutten.
    Schelmisch breitete er sie vor Robert und Marie aus.
    „Darin wird Euch niemand erkennen“, bemerkte er.

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