Die Bluterbin (German Edition)
noch viel länger den Handlanger für den Bischof zu spielen. Das Geld, das er von Radulfus erhalten hatte, würde ausreichen, um sich in den Pfefferhandel einzukaufen, der einen klugen Mann innerhalb weniger Jahre, vorausgesetzt, er stellte sich nicht ungeschickt an, zu unvorstellbarem Reichtum verhelfen konnte.
Der Auftrag an sich war keine besondere Herausforderung für ihn gewesen. Doch wenn er ehrlich war, musste er sich eingestehen, dass er bereits wesentlich länger unterwegs war, als er geplant hatte.
Ob es an dem Mädchen lag? Und hatte der Bischof vielleicht recht damit, dass sie den Teufel im Leib hatte? Er sah ihr sanftes Gesicht vor sich und schüttelte unwillkürlich den Kopf.
Wenn einer den Teufel im Leib hatte, dann war es Radulfus. Er stieß einen leisen Fluch aus und schwor sich, ab sofort keinen weiteren Fehler mehr zu machen.
Otto konzentrierte sich wieder auf seine Umgebung, wie er es immer tat, wenn er sich in einer fremden Umgebung aufhielt. Schließlich konnte es nicht schaden, zu wissen, mit wem man es zu tun hatte. Abschätzend glitten seine flinken Augen über jeden der Anwesenden.
Die Schenke war gefüllt mit lärmenden und überwiegend fröhlichen Stadtbewohnern. Nur in der Ecke neben der niedrigen Holztheke saßen vier stattliche Männer im Waffenrock unter sich. Zwei weitere Bewaffnete befanden sich in der Nähe des Kamins. Sie alle schienen zur Burg zu gehören, sich aber äußerst heimisch in der Schenke zu fühlen.
Die vier an der Theke waren vollauf mit einem der Schankmädchen beschäftigt, das die Aufmerksamkeit der Männer sichtlich genoss. Sie war noch jung, und langes, schwarzes Haar kringelte sich bis auf ihre Hüften, die sie aufreizend hin und her schwenkte, sobald sie sich zwischen den Tischen bewegte und servierte.
Otto richtete seine Aufmerksamkeit wieder auf die würfelnden Männer. Mit hochroten Gesichtern verfolgten sie die über den Tisch rollenden Würfel.
„Es ist Zeit, schlafen zu gehen“, ermahnte er sie auffordernd, aber keiner der Männer beachtete ihn, worauf er seine Worte nochmals etwas lauter wiederholte.
„Wenn du schlafen willst, dann geh und störe uns nicht weiter beim Spiel“, zischte Hugo ihn an, ohne dabei seinen Blick von den Würfeln zu wenden.
Die Mienen der Männer waren angespannt. Otto wusste, dass es nicht mehr lange dauern würde, bis sie ins Streiten kämen. Er trank seinen Becher aus und stand auf.
„Wir sehen uns bei Sonnenaufgang“, verabschiedete er sich, doch niemand hörte ihm zu. Er bezahlte seine Zeche und fragte den Wirt nach einem Zimmer.
„In der Kammer über den Ställen ist noch ein Schlafplatz frei.“ Der Wirt musterte Otto prüfend. „Er kostet einen Silberpenny im Voraus.“
Otto reichte ihm das Geld und lief dann über den Hof zu den Ställen, an deren einer Seite eine schmale Stiege nach oben führte. Vor der Kammer hing eine Funzel, die schwaches Licht verbreitete.
Lautes Schnarchen schlug ihm entgegen, als er die Türe zu der kleinen Kammer öffnete. Im Dunkeln suchte er sich einen Platz in dem großen Bett und rollte sich auf die Seite. Der Gast neben ihm stank so erbärmlich aus dem Mund, dass Otto ihm einen Hieb mit dem Ellenbogen versetzte, damit er sich auf die andere Seite drehte. Er musste ihn noch zweimal anstoßen, bis der Mann endlich reagierte. Beim Umdrehen entwich lautstark die Luft aus seinem Darm, was ihn zu befreien schien, denn sein Schnarchen ließ augenblicklich etwas nach.
Tief in seinem Inneren verfluchte Otto Radulfus, der ihn in diese Lage gebracht hatte. Während er die Nacht eingekeilt zwischen laut schnarchenden und übel riechenden Männern verbringen musste, machte es sich der Bischof wahrscheinlich gerade zwischen weichen, sauberen Laken bequem und ging seinen abartigen Neigungen nach.
Es war nichts weiter als ein Zufall gewesen, der Otto einen Einblick in Radulfus’ finstere Seele verschafft hatte. Damals hatte der Bischof ihn damit beauftragt, Bruder Gregor zu beobachten, und ihm dann, nachdem er ihm gemeldet hatte, dass Bruder Gregor einen Boten mit einem Brief an den Erzbischof gesandt hatte, den Befehl erteilt, den Boten abzufangen.
Es war schon spät am Abend gewesen, als er mit Bruder Gregors Brief wieder in die Heilige Stadt zurückgekehrt war.
Den Wachen war er schon lange kein Unbekannter mehr, und so hatten sie ihn trotz der späten Stunde noch in Radulfus’ Gemächer eingelassen. Otto erinnerte sich noch gut daran, dass die Tür zu Radulfus’
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