Die Bluterbin (German Edition)
junge Frau zurück war, denn Marie war der einzige Mensch, dem sie bedingungslos vertraute.
Robert verspürte keine große Lust zum Reden, doch der Medicus und der Küchenmeister ließen ihm keine andere Wahl. Gilles zog ihn neugierig zu einem der Tische und ließ ihm Wein bringen. Dann wollte er alles ganz genau wissen und stellte ihm immer wieder neue Fragen:
„Und den Kerl habt Ihr einfach am Baum hängen lassen?“ Gilles starrte nachdenklich auf den groben Holztisch. „Das ist nicht sehr christlich, aber das ist unser Herr auch nicht. Das Hängenlassen soll sicher der Abschreckung dienen und die Furcht der Menschen vor ihm verstärken. Denn es gibt nichts, was Enguerrand mehr fürchtet, als dass er seine Macht über die Menschen verlieren könnte, aber der Tag wird kommen, an dem auch er vor dem Angesicht unseres Herrn erscheinen und sich für seine Taten verantworten muss.“
Der Medicus versetzte ihm einen Hieb in die Rippen.
„Ihr redet wie ein Pfarrer. Bringt uns lieber noch etwas Wein“, forderte er ihn lautstark auf.
Da betrat der Hofmarschall mit wichtiger Miene die Küche.
„Der Herr will heute Abend ein großes Fest geben. Lasst Euch also schleunigst etwas einfallen. Er wünscht sich etwas, das dem Anlass angemessen ist.“
„Und was ist das für ein Anlass?“ Gilles machte sich keine Mühe, seine Abneigung gegenüber dem Hofmarschall zu verbergen.
„Sein großartiger Sieg über das Diebespack natürlich“, erwiderte dieser herablassend.
„Das war wirklich sehr mutig von ihm“, bestätigte Gilles, und seine Stimme troff vor Ironie, als er fortfuhr.
„Vierzig Ritter gegen einen einzelnen Mann. Das verdient unser aller Hochachtung und Respekt.“
„Wenn Ihr nicht schleunigst Euer Schandmaul haltet und Euch an Eure Arbeit begebt, werde ich dafür sorgen, dass es Euch gestopft wird“, schrie ihn der Hofmarschall wütend an, worauf ihn Gilles keiner Antwort mehr würdigte.
Der Hofmarschall wandte sich nunmehr an Robert.
„Seid Ihr der junge de Forez?“
Robert nickte, sagte aber weiter nichts.
„Der Herr erwartet auch Euch auf dem Fest heute Abend. Ihr sollt das Mädchen mitbringen, und wascht Euch gefälligst vorher! Ihr werdet direkt neben dem Herrn sitzen.“
Mit diesen Worten rauschte er aus der Küche.
Marie sah Robert ängstlich an.
„Ich möchte nicht an dem Fest teilnehmen“, sagte sie leise.
„Ich habe ebenso wenig Lust dazu wie Ihr, aber ich glaube nicht, dass die Entscheidung in diesem Fall bei uns liegt.“
Gilles nickte zustimmend.
„Das tut sie gewiss nicht, und wenn Ihr Euch nicht Enguerrands Zorn zuziehen wollt, werdet Ihr gehen müssen. Der Herr wird sich heute wie ein Held feiern lassen, und wehe dem, der ihn nicht genügend bewundert.“
Robert wandte sich wieder an Marie. Sein Blick war eine einzige Umarmung.
„Ich muss zurück in die Ställe, mein Liebes. Habt keine Angst, der Abend wird rasch vorbeigehen, und danach werden wir wieder unsere Ruhe haben und ungestört über alles miteinander reden können.“
Marie sah ihm nach, bis er verschwunden war. Solange Robert nur in ihrer Nähe war, war sie bereit, alles zu tun, was man von ihr verlangte.
Gilles trieb derweil das Gesinde zur Eile an.
Auch Adiva erhob sich nun, um an ihren Platz zurückzugehen.
„Ich bin so froh, dass du wieder da bist“, flüsterte sie Marie dabei zu.
Lächelnd begab sich Marie an ihre Arbeit und arbeitete ohne Unterbrechung, bis Gilles ihr schließlich befahl, sich zurückzuziehen, um sich auf das Festmahl vorzubereiten.
„Wasch dir dein Gesicht und kämm dir die Haare. Du wirst zwischen all den feinen Damen sitzen.“
In diesem Moment betrat der Kammerdiener, begleitet von einer Zofe, die Küche.
„Ich soll das Mädchen abholen“, teilte er Gilles mit.
Nachdenklich sah Gilles den beiden nach, als sie mit Marie verschwanden. Die ganze Sache gefiel ihm nicht. Was hatte der Herr wohl mit Marie vor? Leise fluchend begab er sich an seine Arbeit zurück.
Marie wurde an den Wachen vorbei in den Wohnturm geführt. Weiter ging es die Treppe hinauf zu einer Kammer, in der ein Badezuber mit warmem Wasser gefüllt auf sie wartete. Die Zofe half ihr dabei, sich auszuziehen.
Anschließend befahl sie Marie, in den Zuber zu steigen, dessen Wasser mit öligen Essenzen angereichert war und nach Lavendel und Rosen duftete. Die Zofe wusch Marie das lange Haar, das sie, kaum dass Marie wieder aus dem Bad gestiegen war, sorgfältig trocken rieb.
Dann verließ sie die
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