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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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schließlich mit einem Blick auf Marie, die sich seufzend im Schlaf bewegte.
    „Es geht mich nichts an, was Ihr in der Nacht treibt, solange Ihr Eure Arbeit tut“, entgegnete der Stallmeister gutmütig und drehte sich um.
    Robert sah ihm dankbar nach, als er den Stall wieder verließ.
    Er weckte Marie mit einem Kuss. Verschlafen öffnete sie die Augen und sah ihn dann so sehnsuchtsvoll an, dass ihm ganz heiß wurde unter ihrem Blick.
    Er musste all seine Willenskraft aufbringen, um sich vom Zauber ihrer schimmernden Augen zu befreien und sich nicht nochmals neben ihr ins Stroh zu legen.
    „Irgendwann werden wir auf der Burg meines Vaters sein, und dort können wir so lange liegen bleiben, wie wir wollen“, ermunterte er sie lächelnd.
    „Doch bis dahin müssen wir tun, was von uns verlangt wird, und der Stallmeister erwartet mich bereits.“ Er drückte Marie einen letzten Kuss auf die warmen Lippen und erhob sich widerstrebend.
    „Wir sehen uns heute Abend an der Kapelle“, versprach er.
    Er half Marie noch auf die Beine und streifte ihr das Stroh vom Kleid. Für einen kurzen Moment sah er ihr noch nach, wie sie leichtfüßig über den Hof lief, danach begab er sich an seine Arbeit.
    Glücklich machte Marie sich auf den Weg in die Küche und achtete dabei nicht auf die neugierigen Blicke, die ihr folgten.
    Adiva kam ihr entgegen. Sie war bereits dabei, den schweren Teig zu kneten, und ihre Hände waren mit Mehl ganz weiß überzogen.
    Bewundernd starrte sie Maries Gewand an. Sie wischte ihre Finger an ihrem Baumwollkittel ab und befühlte hernach andächtig den weichen Stoff.
    „Hat der Herr dir das geschenkt oder musst du es zurückgeben?“, fragte sie mit einem Anflug von Neid.
    Marie sah an sich herunter. Sie hatte das kostbare Kleid schon ganz vergessen gehabt.
    „Ich weiß es nicht“, antwortete sie gleichgültig.
    „Jedenfalls kannst du nicht darin arbeiten, du wirst es ruinieren.“
    „Mein Gewand befindet sich noch in der Kammer neben den Frauengemächern, ich gehe rasch nach oben und ziehe mich um“, sagte Marie.
    „Lass nur, ich werde es für dich holen“, bot Adiva an, und Marie lächelte ihr dankbar zu. Viel lieber wollte sie ihr altes Gewand zurückhaben, in dem sie weniger Aufsehen erregte.
    Und so zog sie sich eilig um, als Adiva damit zurückkam. Adiva nahm ihr das grüne Samtkleid ab und wiegte es in ihrem Arm wie eine seltene Kostbarkeit.
    „Ich werde es dir nach der Arbeit zurückbringen“, versprach sie.
    Das Leben auf der Burg nahm wieder seinen gewohnten Gang.
    Schwere Herbststürme fegten auch noch die letzten Blätter von den Bäumen, und Enguerrand begab sich noch einige Male mit seinen Rittern auf die Jagd. Danach begannen sich die Burgbewohner jedoch endgültig auf den Einbruch des Winters vorzubereiten.
    In den Wohnräumen wurden überall riesige Kohlebecken aufgestellt und die Fensteröffnungen mit Holzbrettern verschlossen, die anschließend mit Fellen bespannt wurden, damit nochmals weniger Luft von draußen nach drinnen ziehen konnte.
    Im Inneren der Burg war es jetzt noch dunkler als sonst. Die Tage wurden kürzer und die Nächte länger. Dann fiel der erste Schnee und verwandelte die Burg in einen weißen Traum aus Zinnen und Türmen.
    Enguerrand blieb bis mittags im Bett und vertrieb sich anschließend zusammen mit seinen Rittern die Zeit, indem er würfelte, Schach spielte und trank. Am Abend wiederum ließ sich die Hofgesellschaft jeweils von den anwesenden Spielleuten, Minnesängern und Vorlesern unterhalten.
    In der Küche war man dagegen in diesen Tagen damit beschäftigt, das erlegte Wild zu räuchern und in Essigbeize einzulegen, um es auf diese Weise haltbar zu machen. Als endlich alle Vorratsräume zum Bersten gefüllt waren, konnte man dem Winter ohne Sorge entgegensehen.
    Marie und Robert trafen sich jeden Tag nach der Arbeit an der Kapelle.
    „Sobald der Schnee geschmolzen ist, werde ich eine Möglichkeit finden, uns von hier fortzubringen“, versprach Robert kurz vor Weihnachten. „Enguerrand kann uns ja nicht ewig hier festhalten, und wir haben unsere Schulden bei ihm mehr als beglichen.“
    In den letzten Tagen war er immer wieder ins Grübeln versunken und hatte eine Möglichkeit nach der anderen durchgespielt, wie sie die Burg wohl am ehesten verlassen könnten.
    Er fühlte sich wie ein Gefangener auf der Burg, und es quälte ihn, dass er nichts unternehmen konnte, ohne Marie in Gefahr zu bringen.
    Marie spürte, dass er unglücklich war, und

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