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Die Bluterbin (German Edition)

Die Bluterbin (German Edition)

Titel: Die Bluterbin (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Hildegard Burri-Bayer
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um ihn auf ewig in den Kessel der Verdammten zu ziehen.
    Ein entsetzlicher Schrei ließ ihm das Blut in den Adern frieren. Erst als der Wachmann, gefolgt von den Dienern, hereinstürzte und ihn verständnislos anstarrte, begriff er, dass er selbst derjenige war, der geschrien hatte.
    „Raus hier“, brüllte er den entsetzten Wachmann an, bevor er sich an die vor Angst schlotternden Diener wandte: „Bringt Otto zu mir, und dann verschwindet“, fuhr er sie unbeherrscht an, worauf die erschrockenen Diener wie verängstigte Hühner nach draußen stoben, um seinem Befehl Folge zu leisten.
    Otto ließ nicht lange auf sich warten. Wie immer erschien er in gebückter Haltung. Es fiel Radulfus schwer, den unterwürfigen Ausdruck in dem verschlagenen Gesicht zu ertragen, doch Otto war für heikle Aufträge dieser Art einfach der beste Mann. An Einfallsreichtum und Skrupellosigkeit war er von niemandem zu schlagen.
    Seine flinken Augen streiften kurz über das Gesicht des Bischofs und erfassten mit einem Blick die namenlose Furcht und das Grauen darin, das Radulfus zu verbergen suchte. Dann senkte er seinen Blick und wartete auf das, was Radulfus ihm zu sagen hatte.
    „Ich will das Mädchen zurück.“ Radulfus’ Stimme zitterte leicht. Er zog einen prall gefüllten Beutel unter seinem Umhang hervor und öffnete ihn. Es war das Silber des Tuchhändlers. Er reichte Otto einige Silberstücke, die dieser mit ausdruckslosem Gesicht entgegennahm.
    „Der Kathedralschüler Robert de Forez hat nicht an den Vorlesungen teilgenommen. Wie es scheint, ist er verschwunden, es ist fast so, als hätte er sich in Luft aufgelöst. Niemand will etwas gesehen haben. Ich glaube, ich werde einige Leute bestechen müssen“, begann Otto in bescheidenem Ton.
    Wer ihn nicht kannte, musste den Eindruck erhalten, dass er diese unvermeidliche Tatsache zutiefst bedauerte.
    Radulfus griff in den Beutel und reichte Otto drei weitere Silberstücke. Er hatte sich wieder etwas gefasst.
    „Wie ich sehe, habt Ihr Euch neue Gewänder anfertigen lassen“, stellte er wie nebenbei fest.
    Doch seine Feststellung rührte Otto wenig, denn er wusste, dass die Zeit gekommen war, seine Trümpfe auszuspielen. Ungerührt fuhr er in dem gleichen anbiedernden Tonfall fort, der selbst Radulfus zuwider war:
    „Er ist der Sohn des Grafen Guido de Forez und der Mathilde von Artois. Ich habe mich über ihn erkundigt. Wenn ich recht habe mit meiner Vermutung, wird er versuchen, zu seinen Verwandten nach Flandern zu fliehen, um sich der Gerechtigkeit zu entziehen.“
    Radulfus’ Brauen schoben sich erstaunt nach oben.
    „Ich verstehe nicht ganz“, erwiderte er.
    Otto warf ihm einen schlauen Blick zu.
    „Irgendjemand muss dem Mädchen doch geholfen haben, Bruder Gregor ins Reich unseres Herrn zu befördern.“ Er schlug ein Kreuzzeichen und ließ Radulfus Zeit, die volle Tragweite seiner Worte zu erfassen.
    Radulfus’ Nase begann zu zucken. Otto sah es voller Befriedigung.
    „Wir brauchen Beweise für diese Anschuldigung“, stieß er schließlich hervor, worauf Otto nur gewartet hatte.
    „Zwei ehrenwerte Brüder im Glauben haben gesehen, wie er fluchtartig aus der Kapelle gestürmt ist. Sicher werdet Ihr mir und den Brüdern darin zustimmen, dass ein Mann mit gutem Gewissen nicht den geringsten Grund für eine solche Eile hat.“
    Jetzt war sich Radulfus sicher, dass der Mann jedes Silberstück wert war, das er von ihm erhalten hatte und noch erhalten würde. Zwei Zeugen genügten bereits, um selbst den Sohn eines Grafen vor das heilige Gericht der Inquisition zu bringen.
    Das Recht war auf seiner Seite.
    Er beugte sich vor.
    „Bringt mir das Mädchen und sorgt dafür, dass der Mörder unseres armen Bruders Gregor seinen gerechten Lohn erhält.“
    Er reichte Otto eine weitere Handvoll Silber.
    Hochzufrieden mit sich selbst verließ Otto die Gemächer des Bischofs. Er tauschte sein neues Gewand gegen einen langen verschlissenen Mantel und einen breitkrempigen Hut, befestigte Lederbecher und Messer an seinem Gürtel und ließ sich vom Stallmeister ein Reitpferd satteln. Dann verließ er die Stadt auf dem schnellsten Weg in Richtung Norden.

24
    In jedem Ort, selbst wenn er noch so klein war, hielt er an und fragte nach einem Mädchen mit ungewöhnlich weißer Haut, das sich in Begleitung eines jungen Edelmannes befand. Niemand hatte Marie gesehen oder konnte sich an sie erinnern, aber Otto ließ sich nicht beirren.
    Er hatte den Auftrag angenommen und würde ihn

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