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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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daher auch niemand überprüft hatte. Was auch immer es war – Blue musste fürchterliche Schmerzen gehabt haben, wenn sie sich selbst so sehr verstümmelt hatte, um ihnen zu entkommen.
    Kris schluckte und biss sich schuldbewusst auf die Lippe. Zumindest für den Moment hatte er ihre Qualen vertrieben. Aber was würde sein, wenn sie aufwachte? Er konnte nicht ewig neben ihr sitzen bleiben. Vielleicht hatte er ihr zu viel versprochen. Es war möglich, dass die Schmerzen niemals wieder ganz verschwanden, selbst wenn die Wunden heilten – und das immerhin würden sie. Die oberflächlicheren Schürfwunden schlossen sich bereits, und selbst das Auge würde nach einiger Zeit vollkommen wiederhergestellt sein. Aber welchelangfristige Wirkung Blues Zeit als Versuchsobjekt haben würde, das blieb noch zu befürchten. Und was würde Cedric tun, jetzt, wo sie eine erwachte Bluterin und somit als Versuchsobjekt endgültig ungeeignet war? Sie weiter durchfüttern? Sicherlich nicht. Aber wäre Blue auf sich allein gestellt überhaupt lebensfähig? Gesellschaftsfähig?
    Kris unterdrückte einen schweren Seufzer, um das Mädchen in seinen Armen nicht zu wecken. Er konnte jetzt nichts anderes tun als warten. Bei ihr sein und hoffen, dass vielleicht doch alles gut würde.
    Und Red September noch so lange wie möglich von White Chapel fernhalten.

Kapitel Zwölf
    Die Altstadt, Kenneth, Missouri
     
    Die Dämmerung war wie ein graues Tuch über die Stadt gefallen. Die Neon-Schriftzüge und Reklametafeln leuchteten in fahlem Licht und übertünchten den Schein der Sterne und des Sichelmondes am stumpfblauen Nachthimmel.
    Katherine schlug den Kragen ihrer Sommerjacke hoch, als sie aus der fensterlosen Straßenbahn stieg, die sie von White Chapel ins Stadtzentrum gebracht hatte. Die Luft war warm, wie gewöhnlich in einer Spätsommernacht – und trotzdem konnte sie die Gänsehaut auf ihren Armen und in ihrem Nacken nicht vertreiben.
    Die Straßen der Innenstadt erwachten allmählich zum Leben. Geschäftsinhaber brachten Angebotskörbe und Werbeaufsteller vor die Tür, die Blutbars öffneten, und das Pflaster füllte sich mit Passanten. Normalerweise schlenderte Katherine gern durch die Einkaufsstraßen und ließ sich vom Leben treiben. Heute aber hatte sie keinen Blick dafür. Immer wieder sah sie prüfend auf das kleine Navigationsgerät an ihrem Handgelenk, während sie sich zwischen den Fußgängern hindurchschlängelte. Hier in der Altstadt kannte sie sich aus. Aber heute würde sie in Gebiete vordringen, in denen sie noch nie gewesen war – zumindest nicht, seit sie aus dem Wahnsinn erwacht war. Sie ging schnell, um nicht in Versuchung zu geraten, ihr Vorhaben noch einmal zu überdenken.Sie wusste, sie hätte zu zweifeln begonnen, und das wollte sie sich auf keinen Fall erlauben.
    Das hier war ihre Suche. Ihre Vergangenheit. Ihr Tagebuch.
    Sie würde es aus den Dirty Feet holen. Und niemand sonst. An einer Imbissbude am Rand der Innenstadt kaufte sie eine mit Sauerstoff angereicherte Konserve und trank sie noch im Laufen, in der Hoffnung, dadurch etwas klarer im Kopf zu werden. Aber es half nicht viel. Bald lagen die wohlhabenden Gebiete hinter ihr. Und je näher sie dem verbotenen Viertel kam, je stiller und schmutziger die Straßen wurden, desto kräftiger wurde der Griff der kalten Hand, die Katherines Luftröhre zuzudrücken versuchte. Der Gestank der Gosse lastete schwer auf ihren Lungen, süß und faulig zugleich. Sie spürte, dass sie beobachtet wurde. Um diese Zeit lief niemand hier draußen herum, der noch ganz bei Verstand war. Schäbige Gardinen bewegten sich in den Fenstern und gaben vereinzelt den Blick auf weiße, hagere Gesichter frei, die Katherine misstrauisch beäugten.
    Ohne, dass sie es wollte, wurden Katherines Schritte langsamer. Sie lauschte. Schnüffelte. Versuchte, die Schatten mit den Augen zu durchdringen, jederzeit darauf gefasst, von einem wildernden Bluter angesprungen zu werden.
    Doch nichts geschah.
    Schließlich blieb sie stehen. Ein hoher Zaun aus Stacheldraht, durchbrochen von einem verriegelten Tor, kennzeichnete die Grenze zu den Dirty Feet. Zwei rostige Schilder hingen daran, kaum noch lesbar.
    Vorsicht Starkstrom!
    und darunter
    Gefahrenzone! Betreten verboten!
    Mit klopfendem Herzen spähte Katherine in die Dunkelheitjenseits des Zauns. Ein letztes Mal sah sie über die Schulter zurück. Die Sicherheit der Altstadt schien bereits Meilen entfernt zu sein. Hier gab es nichts außer Ratten und

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