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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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das Kris nicht verstehen konnte, immer und immer wieder.
    Kris holte tief Luft. Jetzt hing alles an ihm.
    »Halt, Sid!«
    Die Dunkelheit strömte aus seinem Inneren, stark wie selten zuvor. Aber der Wind stand gegen ihn. Er riss die Worte von Kris’ Lippen und nahm ihnen die Kraft.
    Die Entfernung war zu groß.
    Ein bösartiges Grinsen erschien auf Sids Gesicht. Sein funkelnder Blick traf Kris.
    Lachte. Lachte ihn aus.
    Seine Muskeln spielten unter der hellen Haut, spannten sich …
    Kris rannte los, im gleichen Moment, als der Wächter sprang.
    Doch er hatte kaum die Hälfte der Strecke hinter sich gebracht, als sich wie aus dem Nichts eine Hand um seinen Knöchel schloss und ihn straucheln ließ. Zu spät bemerkte er, dass Sid bereits dicht bei Blues Beinen hockte – und dass sein Arm bis zum Gelenk im Boden des Flachdachs verschwunden war.
    Kris fluchte und zerrte an seinem Fuß.
    Vergeblich.
    Tränen rannen über Blues Gesicht. Verbissen kämpfte sie sich voran, doch sie kam nur millimeterweise vorwärts. Und nun konnte Kris auch verstehen, was sie sagte.
    »Frei«, schluchzte sie. »Frei, frei …«
    Sid verzog keine Miene. Seine Augen glitzerten tückisch. »Passwort nicht korrekt. Bitte versuchen Sie es noch einmal.«
    Er würde sie umbringen. Kris wusste es plötzlich mit schrecklicher Gewissheit. Sid würde Blue umbringen, wenn er nichts unternahm.
    »Lass sie in Ruhe!«, brüllte er und hieb mit aller Kraft nach der Hand, die ihn festhielt. Doch die Finger waren ebenso hart und unnachgiebig wie der Beton, aus dem sie ragten, und Kris viel zu sehr auf seinen Fuß fixiert, als dass seine ziellos herausgeschleuderten Worte irgendeine Wirkung hätten erzielen können. Er ballte die Fäuste und versuchte vergeblich, sich zu beruhigen. Wenn Sid in dieser Stimmung war, war mit ihm nicht vernünftig zu reden. Es gab kein Passwort. Es war ein Spiel, wie das einer Katze mit ihrer Beute, bevor sie zuschlug. Nichts, was Blue sagte oder tat, konnte den Wächter noch aufhalten.
    Er musste es tun.
Er
musste Blue retten. Auf diese Entfernung hatte er eine Chance.
    »Lass. Sie. In. Ruhe.«
Er spürte, wie die Schwingungen seiner Stimme in Sids Körper eindrangen. Das Gesicht des Wächters verzerrte sich zu einer Grimasse. Er kämpfte gegen die Macht von Kris’ Blutgabe, mit aller Kraft, die er in seinen mehr als zweihundertfünfzig Lebensjahren gesammelt hatte.
    »Frei …«, heulte Blue.
    »Passwort … nicht korrekt.« Das wilde Grinsen zuckte noch immer um Sids Mundwinkel. Er knirschte mit den Zähnen. »Noch mal … versuchen.«
    Kris schloss die Augen und konzentrierte sich. Er hatte dieses Spiel zu oft beobachtet. Einen Versuch hatte er noch, bevor Sid angreifen würde. Er musste sich befreien. Egal, was es ihn kostete. Sid mochte älter sein als er. Aber Kris hatte eine Wahre Quelle.
    Kris’ Blut brodelte in seinem Inneren. Hitze. Kälte. Sturm und Leere. Ein Schrei brach aus seiner Kehle, als er all seine Kraft in einem einzigen Schlag freisetzte und auf den Wächter losließ. Blue kreischte in wilder Angst. Und für einen winzigen, unwiederbringlichen Moment taumelte Sid.
    Der Griff um Kris’ Knöchel lockerte sich. Er war frei.
    Fauchend stürmte er vorwärts, war mit einem einzigen Satz bei Sid und prallte mit voller Wucht gegen ihn. Gemeinsam stürzten sie zu Boden, überschlugen sich und rutschten etliche Meter über die rauen Steinplatten. Kris spürte, wie Sids Hände sich in seinem Hemd festkrallten. Die langen Fingernägel drangen durch den dünnen Stoff und hinterließen blutige Furchen auf seiner Brust. Kris packte die Kehle des Wächters. Der Wind zerrte an seinen Haaren.
    »Lieg still!«
    Sid zischte wütend. Sein hagerer Körper wand sich und zuckte, wehrte sich gegen das Erschlaffen, das Kris’ Stimme ihm aufzwingen wollte. Die dunklen Augen glühten wild.
    »Brenne«, keuchte er heiser.
    Und im nächsten Moment glaubte Kris, von innen heraus zu explodieren. Eine gewaltige Energie fuhr aus Sids Händen in seine Eingeweide und entlud sich mit einem Krachen. Kris spürte seine Magenwände zerfetzen und seine Rippen bersten. Der Schmerz machte ihn blind. Er schrie, kämpfte darum, die Krallen in seiner Brust loszuwerden. Aber Sid ließ ihn nicht gehen. Sein linker Arm legte sich wie eine Schraubzwinge um Kris’ Oberkörper.
    »Passwort nicht korrekt«, flüsterte er atemlos.
    Das Leben floss aus Kris heraus. Sein Körper sackte in sich zusammen. Wie durch einen Schleier sah er, wie sich die Luft

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