Die Blutgabe - Roman
zusammenpassen.
Gehorsam tat Red, wie ihm befohlen.
Tony ging mit gewichtigen Schritten neben ihm her. Seine schweren Stiefel wirbelten Staub auf. »Schon mal eine Waffe in der Hand gehabt?«, fragte er plötzlich.
Red sah ihn überrascht an. Eine Waffe? Von diesem Wort hatte er noch nie gehört.
»Was … ist denn eine Waffe?«, fragte er vorsichtig.
Tonys Gesicht verdüsterte sich. »Ah. Hätte ich mir denken können.« Er schüttelte den Kopf. »Wirst schon sehen. Aber …« Er blieb stehen und hielt Red an der Schulter zurück. »Lass mich dich was fragen, Kleiner. Ist dir überhaupt klar, was hier von dir erwartet wird?«
Red antwortete nicht sofort. Ohne jede Vorwarnung war bei Tonys Frage ein Bild von Blue in seinem Kopf aufgetaucht. Eine Erinnerung an den Tag, an dem sie dem Vampir an der Mauer begegnet war.
Ihre Augen strahlen. Ihre Wangen sind vor Erregung gerötet.
»Er sagt, es gibt glückliche Menschen dort draußen, Red! Menschen, die mehr sind als nur Nahrungsquellen! Menschen, die frei sind!«
Der Vampir. Er hatte Blue von den
Bloodstalkers
erzählt. Und er hatte gesagt, dass sie für etwas kämpften, das sie die »Rückkehr der Alten Zeit« nannten – eine Zeit, in der Menschen und Vampire gleichberechtigt miteinander gelebt hatten. Soviel also wusste Red. Aber ihm war nur zu klar, dass diese Aussage nicht im Geringsten erklärte, was von ihm erwartet wurde.
»Nein«, sagte er also wahrheitsgemäß. »Ehrlich gesagt nicht.«
Tony seufzte düster und warf einen knappen Blick zu dem Gebüsch, in dem die anderen Menschen verschwunden waren. »Na schön. Ich mach’s kurz.« Er räusperte sich. »Also vor allem anderen merk dir eins, Kleiner: Es gibt da draußen nicht nur Vampire wie uns. Wir sind hier die Guten, okay? Von uns hast du nichts zu befürchten. Wir sind
für
die Menschen. Aber da sind auch die anderen. Die
Bluter
.« Tony spuckte das Wort aus wie ein fauliges Stück Fleisch. Red wurde allein von dem Klang übel. Bluter schießen. Richtig. Das hatte Sarah gesagt, und Red hatte nicht die Spur einer Ahnung gehabt, was damit gemeint war. Aber jetzt, wo Tony sich zu ihm herunterbeugte, bis sein Gesicht auf gleicher Höhe mit Reds war, stand ihm der unheimliche Kampf, den er in der nächtlichen Stadt beobachtet hatte, wieder deutlich vor Augen. Konnte das sein? Waren
das
Vampire gewesen?
Tonys Stimme grollte tief und bedrohlich in seiner Kehle, dass sich Reds Nackenhaare unwillkürlich aufrichteten.
»Sie sind der Feind, Red. Denk immer dran:
Die Bluter sind der Feind
. Unser Feind. Und eurer auch. Sie sind keine echten Vampire, verstehst du, auch wenn in ihren Adern Vampirblut fließt. Sie sind wahnsinnige, abartige Bestien, die nur eins in den hässlichen Köpfen haben – zu töten, egal obMensch oder Vampir. Diese Biester sind unnatürlich. Bösartig. Widerwärtig. Sie sollten nicht einmal
existieren
. Und deshalb musst du, wenn du einer von uns werden willst, helfen, dieses Gezücht auszurotten. Da unten in der Stadt laufen Tausende von denen rum. Wenn die dich kriegen, bist du selbst ein Bluter, bevor du piepen kannst. Und darum wirst du von mir lernen, wie man sie vernichtet. Klar?«
»Aye … Aye, Sir.« Red wusste nicht, was er tun sollte, als die Antwort zu geben, die er von den anderen gehört hatte. Sein Nacken kribbelte noch immer, auch nachdem der riesige Vampir ihn längst wieder losgelassen hatte. Die Stadt – sie war noch viel gefährlicher, als er es sich je hätte vorstellen können. Und er sollte Bluter
vernichten
? Wenn er alles richtig verstanden hatte, waren das doch Vampire! Was konnte ein Mensch wie er denn gegen
Vampire
ausrichten?
Tony klopfte ihm auf den Rücken. »So gefällt mir das«, sagte er. »Stellst keine unnützen Fragen. Jetzt aber weiter!«
Red nickte folgsam, zu benommen, um noch etwas zu erwidern. Gemeinsam folgten sie einem weiteren Pfad durch wucherndes Gestrüpp auf einen zweiten Sandplatz, der stellenweise mit Sägespänen bestreut war. Die anderen Menschen warteten bereits.
Red sah sich um. In verschiedenen Entfernungen hingen Puppen von entfernt menschlicher Form an dicken Stahlstangen. Sonst nichts. Wenn ihn hier eine weitere sportliche Übung erwartete, dachte Red, dann musste es eine sehr ungewöhnliche sein.
Tony steckte inzwischen einen dieser merkwürdigen Metallstift-Schlüssel in das Schloss einer Holzkiste, deren Deckel sich kurz darauf knarrend öffnete.
Einer nach dem anderen griffen Reds menschliche
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