Die Blutgabe - Roman
runzelte die Stirn. Das alles verwirrte ihn mehr, als er eingestehen mochte.
»Warum ausgerechnet nach seinem Namen?«
»Na ja.« Sarah lehnte sich zurück und nippte an ihrem Tee, ganz offensichtlich bemüht, sich wieder zu entspannen. »Genau weiß ich auch nicht, wie das läuft. Aber fest steht, dass junge Bluter wahnsinnig sind. Sie haben kein Bewusstsein wie wir oder wie die echten Vampire. Und wir vermuten, dass sie in diesem Stadium auch keine Erinnerung daran haben, wer sie mal waren.«
Stadium
, dachte Red. Das klang wie eine Krankheit. Und nach allem, was er bisher gehört hatte, war es das wahrscheinlich auch.
Sarah seufzte und drückte sich tiefer in die Kissen. Red hatte den unbestimmten Eindruck, dass sie keine große Lust mehr hatte, über das Thema zu reden. »Jedenfalls sind junge Bluter bislang die Einzigen, gegen die wir mit unseren Waffen etwas ausrichten können. Wenn sie älter werden, werden sie nach und nach wieder klar im Kopf. Allerdings auch viel stärker. Sie können sich dann heilen, so wie du es heute bei Kris und Hannah gesehen hast. Und dann – tja. Dann hat es wirklich keinen Sinn mehr, auf sie zu schießen. Genau wie du sagst.«
Red schwieg. Sein Herz hatte ein wenig unruhig zu klopfen begonnen. Er war sich nicht sicher, wie er ihren Blick deuten sollte. Bisher war er so mit seinen Fragen beschäftigt gewesen, dass er ihre Oberweite fast vergessen hatte. Aber jetzt, wo sie sich so betont lässig in die Polster schmiegte, waren ihm ihre Brüste plötzlich wieder sehr bewusst. Red war sich beinahe sicher, dass das ihre volle Absicht gewesen war. Seltsamerweise hatte er dabei aber nicht das Gefühl, dass sie ihn ernsthaft mit in ihr Zimmer nehmen wollte, und das verwirrte ihn. Ein Ablenkungsmanöver?
Red schluckte und sah Hilfe suchend zu Chase hinüber. Es war alles so ungewohnt in diesem Haus. Auf der Farm hatte er Blue in jeder Frau gesehen, die ihm begegnet war. Sarah aber hatte nichts von ihr. Überhaupt nichts.
In diesem Moment sah Chase erneut von seinem Buch auf und musterte ihn hinter seinem Haarvorhang mit spöttischem Blick.
»Mach dir nicht zu viele Gedanken. Tony wird dir das alles noch mal haarklein erzählen – falls du irgendwann soweit sein solltest, auf einen Außeneinsatz zu gehen.«
Falls du
jemals
soweit sein solltest
.
Der Satz hing unausgesprochen in der Luft, und Red hatte das Gefühl, als hätte Chase ihm ganz nebenbei mit aller Kraft in den Magen geboxt.
Sarah richtete sich auf und warf Chase einen scharfen Blick zu. »Halt die Klappe. Fürs erste Mal war er ziemlich gut, das weißt du genau.«
Chase lachte trocken. »Na sicher. So gut, dass du ihn in Schutz nehmen musst.«
Sarah schnaufte und starrte Chase zornig an. Auch Red fühlte, wie es in seinem Inneren leise zu rumoren begann. Aber insgeheim musste er Chase Recht geben – und diese Erkenntnis lähmte seine Wut. Er war erbärmlich gewesen. Das war nicht zu leugnen.
»Du solltest dir vorerst lieber um andere Dinge Sorgen machen.« Chase klappte das Buch zu und klemmte es zwischen die Armlehne und das Sitzpolster seines Sessels. »Zum Beispiel um deine Aufnahmeprüfung.«
»Aufnahmeprüfung?« Red richtete sich alarmiert auf. Was denn nun wieder für eine Prüfung? War er denn nicht schon Mitglied der
Bloodstalkers
? Eine Prüfung – und was, wenn er nicht gut genug war? Nach seiner kläglichen Vorstellung auf dem Übungsplatz heute erschien ihm das mehr als wahrscheinlich.
Sarah warf Chase einen weiteren verärgerten Blick zu und winkte ab. »Ach, hör nicht auf Chase. Die Vampire wollen nur herausfinden, für wen du am besten als Quelle geeignet bist. Lass dich bloß nicht verrückt machen.«
Chase schnalzte mit der Zunge. »Sie könnten entscheiden, dass er für niemanden geeignet ist.«
»So ein Quatsch. Schön blöd wären sie.«
Red sah unbehaglich von einem zum anderen. In ihm tobtendie widersprüchlichsten Empfindungen, und ihm wurde ein wenig flau in der Magengegend. Also würde seine Aufnahme doch nicht von seinen sportlichen Leistungen abhängig gemacht werden. Das immerhin war gut. Aber … Quelle? Hieß das etwa …?
»Die Vampire trinken regelmäßig von euch?« Er hörte, wie belegt seine Stimme klang. Die Erinnerung an das berauschende Gefühl, das ihn durchströmt hatte, als Céleste sein Blut nahm, presste ihm für einen Moment alle Luft aus den Lungen.
»Sag nicht, du hast dich noch nicht gefragt, wo die anderen gerade sind.« Chase hob vielsagend die Brauen.
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