Die Blutgabe - Roman
dunkel zu sein, selbst seine bleiche Haut. Und selbst seine Stimme.
»Insgesamt hat es ein bisschen lange gedauert.« Er sprach leise, doch das bewirkte nur, dass ihm jeder der Menschen umso aufmerksamer lauschte. »Aber dafür habt ihr bei jedem von uns einen tödlichen Treffer gelandet.« Er nickte Chase und Sarah zu. »Exzellentes Teamwork.« Einer seiner Mundwinkel zog sich zu einem schiefen Lächeln nach oben. »Ich sehe, du hast ungeahnte Gentleman-Qualitäten, Chase.«
Red sah ein verkniffenes Grinsen auf Chase’ Gesicht erscheinen.
»Ich dachte, wenn ich dich so nah am Herzen verletze, wärst du abgelenkt genug, dass du deinen Hals für Sarah offen lässt. Und ich hatte recht.«
Hals, Augen, Herz
, wiederholte Red im Stillen.
In dieser Reihenfolge.
Wider Willen war er beeindruckt und auch ein bisschen neidisch. Er selbst hätte die Vampire nicht einmal mit den Augen verfolgen können – ganz zu schweigen davon, sie mit einem Schuss an einer bestimmten Körperstelle zu treffen.
Hannah und Kris unterhielten sich flüsternd. Schließlich nickten sie.
»Wir schlagen diese Woche Chase und Bruce für den Einsatz in den Dirty Feet vor«, sagte Kris. »Bruce als Schützen, Chase als Teamer.«
Tony nickte, als wären das auch seine eigenen Überlegungen gewesen.
»Den Rest überlassen wir wie immer dir.« Hannah grinste. »Oh – und
Red
…« Sie lachte das grobe Lachen, das Red aus der Nacht im Tunnel noch deutlich im Gedächtnis geblieben war. »Mach nicht so’n langes Gesicht, Kleiner. Fürs erste Mal hast du ‘ne ganz ordentliche Zerstörung angerichtet.«
Verwirrt sah Red sich um. Als sein Blick auf die Puppe fiel, blieb einmal mehr an diesem Tag sein Mund offen stehen: An dem Stab hing nichts weiter als ein paar Stofffetzen, und die Sägespäne hatten sich in einem beachtlichen Umkreis verteilt. Man hätte nicht einmal mehr nachvollziehen können, wo die Schüsse eingeschlagen waren, so gründlich hatte er die Puppe vernichtet.
Hannah konnte sich vor Lachen über sein verdutztes Gesicht kaum beruhigen. Und sogar Tony schmunzelte in sich hinein.
»Ich würde sagen, damit kann man arbeiten«, kommentierte Kris und ließ seinen dunklen Blick für wenige Augenblicke auf Red ruhen. Red spürte einen Schauer über sein Rückgrat fließen. »Aber für heute soll es genug sein.«
Der Vampir nickte Hannah zu, und die beiden verließen den Platz – zu Fuß diesmal und in einer geradezu menschlichen Geschwindigkeit.
Red sah ihnen nach, bis sie zwischen den Büschen verschwunden waren. Er war noch immer verwirrt von dem, was gerade geschehen war, und sein Magen rebellierte bei der Erinnerung an den Anblick der zerfetzten Vampire. Doch gleichzeitig verstand er plötzlich nur zu gut, warum Blue von Kris so beeindruckt gewesen war.
Gemeinsam mit den anderen legte er seine Waffe zurück in die Kiste, bevor Tony sie sorgfältig verschloss.
»Also, das war deutlich besser als gestern«, knurrte der große Vampir. »Aber denkt bloß nicht, dass ich mit eurer Faulheit zufrieden bin! Das wird nächste Woche anders, damit das klar ist!« Er schnaufte. »Und viel Erfolg für die nächsten Tage«, fügte er in etwas freundlicherem Ton hinzu.
Dann schulterte er die Kiste, als wäre sie ein Sack Federn, und stapfte in Richtung des Trainingsplatzes davon.
Sarah reckte sich und stöhnte. »Ah, war das anstrengend! Ich brauche jetzt unbedingt ein heißes Bad!«
Red konnte ihr im Stillen nur beipflichten. Das war genau das, was auch er bitter nötig hatte. Auf dem Weg zurück ins Haus bemerkte er schon, wie ein bösartiger Muskelkater von jedem einzelnen Teil seines Körpers Besitz zu ergreifen begann. Wenn er das jeden Tag so durchziehen musste, dann war er innerhalb von einer Woche ein totales Wrack, dachte er – und ärgerte sich gleich darauf über sich selbst. Er sollte nicht so viel jammern. Sonst würde er Blue niemals eine Hilfe sein. Ein unbestimmtes, dumpfes Angstgefühl zerrte mit einem Mal an seinem Magen. Nein, er hatte wirklich keine Zeit, sich selbst zu bemitleiden. Er musste sehr schnell sehrviel besser werden, damit er auf Außeneinsätze gehen durfte. Nach allem, was er heute erfahren hatte, war es dort unten in der Stadt lebensgefährlich – und die Vampire, die Blue einfangen und zur Farm zurückbringen konnten, noch das geringste Übel, das ihr zustoßen konnte.
Die Bluter.
Red schauderte, als er an Tonys Worte zurückdachte. Wenn so eine Bestie Blue fand, bevor er sie finden konnte …
Der
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