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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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diese Arbeit keine Rechenschaft vor dem Parlament ablegen. Das Parlament wusste ja nicht einmal davon. Warum auch? Diese Versuche kosteten nichts und berührten viel zu sehr Katherines und auch Cedrics Privatsphäre, als dass er mit einem Vertreter des World Parliament darüber hätte sprechen wollen.
    Einem Vertreter des World Parliament …
    Cedric stützte den Kopf schwer in die Hände. Sich abzulenken war nicht leicht. Schon jetzt wanderten seine Gedanken wie von unsichtbaren Fäden gezogen zurück zu dem Besuch, der seiner Forschungsstation zu Beginn der nächsten Nacht bevorstand. Und selbst die positive Bilanz seiner Arbeit mit Katherine konnte ihn nicht darüber hinwegtrösten, dass er im vergangenen Jahr – seit zum letzten Mal ein Gutachterdes Parlaments bei ihnen gewesen war – kaum Fortschritte vorzuweisen hatte. Auch wenn Katherine etwas anderes behauptete. Nun, dann sollte sie den Gutachter überzeugen. Wenn sie die richtigen Worte fand, ihm klar zu machen, dass er White Chapel besser nicht den Geldhahn abdrehte – dann wäre das Cedric mehr als recht.
    Mit einem letzten Seufzer klappte er Katherines Mappe zu und legte sie zur Seite. Nein, es hatte keinen Sinn, es auf andere abschieben zu wollen, dachte er müde. Er selbst war der Leiter der Forschungsgruppe. Er hatte vor fast sieben Jahren das Parlament von der Notwendigkeit dieser Einrichtung überzeugt. Und er war auch derjenige, der sich nun darüber klar werden musste, wie er die horrenden Summen, die White Chapel seither zugeflossen waren, rechtfertigen sollte. Der Gutachter würde es von niemand anderem hören wollen. Und es noch weiter aufzuschieben, würde die Aufgabe nicht einfacher machen.
    Noch immer mit einem Gefühl des Widerwillens zog Cedric den Ordner mit den gesammelten Forschungsergebnissen des vergangenen Jahres zu sich heran. Er war demotivierend leicht.
    Cedric öffnete sein Notizbuch und griff nach seinem Stift. Sekundenlang starrte er auf die leere Seite.
    Vielleicht sollte er vorher noch den Wächter informieren, dachte er schließlich und legte den Stift wieder zur Seite. So viel Zeit musste er aufbringen können – nicht, dass er es am Ende vergaß. Das würde für sie alle recht unangenehme Folgen haben.
    Cedric stand auf und ging zur Wand, um dagegen zu klopfen.
    »Sid, komm her! Und bring Tee mit.«
    Für ein paar Sekunden antwortete ihm nur Schweigen. Dann schien die Wand unter seinen Fingern leise zu vibrieren.
    Dauert dann ’nen Moment, Doc.
    Cedric nickte. »Ist in Ordnung. Lass dir Zeit.«
    Mit schleppenden Schritten ging er zu seinem Schreibtisch zurück. Die hastig hingekritzelten Zahlen auf dem Versuchsvordruck lachten ihm noch immer höhnisch entgegen.
     
    02/09/2256
    Arretin VO-159
    Gliedmaßen:
    Rechter Arm 0
    Linker Arm 0
    Rechtes Bein 0
    Linkes Bein 0
     
    Rumpf:
    Becken/Unterleib 0
    Torso/Brust 0
     
    Kopf:
    Stammhirn 0
    Großhirn 0
     
    Null. Null. Null.
    Cedric griff nach dem Zettel, knüllte ihn in einer Hand zu einem zerknitterten Ball zusammen und warf ihn in den Papierkorb.
    Oder, mit anderen Worten: Nichts.
    Er stützte die Hände auf die Schreibtischplatte und stierte düster auf den leeren Fleck, den der Zettel hinterlassen hatte.
    Er konnte die Dosis nicht noch weiter erhöhen. Das wäre erstens zu teuer, und zweitens würde es die Gesundheit des Versuchsobjekts erheblich beeinträchtigen. Außerdem würde Nummer 159 bald ins bewusste Stadium übergehen, wenn sie weiterhin jede Nacht einen ganzen Menschen vorgeworfen bekam. Spätestens in zwei Wochen sollte er sich darumkümmern, sie in der Anstalt anzumelden. Wie jedes Mal überkam Cedric der Anflug eines schlechten Gewissens, als er daran dachte. Die Anstalt war ein vom Parlament geförderter Ort, an dem junge Progressive betreut wurden, bis sie ins bewusste Stadium übergingen und sozialisiert werden konnten. An und für sich eine begrüßenswerte Idee. Doch die Anstalt war nicht gerade dafür bekannt, liebevoll mit ihren Schützlingen umzugehen.
    Ein Krachen ließ Cedric aufschrecken. Die Tür zu seinem Zimmer war unter der Wucht eines schweren Stiefels aufgeflogen und gegen die Wand geknallt.
    Auf der Schwelle stand ein junger Vampir mit zottigen, schlohweißen Haaren und einem knochigen Gesicht, aus dem Cedric zwei bläuliche Kohlen entgegen glühten. Er trug einen uralten Mantel, dem die Ärmel fehlten und der nur mit einer dünnen Silberkette über der nackten Brust des Vampirs zusammengehalten wurde.
    In der Hand hielt er eine

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