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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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Bechertasse, aus der es aromatisch duftete.
    Cedric ließ sich seufzend zurück auf seinen Stuhl sinken.
    »Guten Morgen, Sid.«
    »Tee ist fertig.« Mit energischen Schritten betrat Sid das Zimmer, stellte die Tasse ab und ließ sich in den Besucherstuhl fallen, bevor er seine Füße mit Schwung auf die Tischplatte legte.
    Der Tee schwappte unter dem Aufprall seiner stahlverstärkten Stiefel und bildete eine kleine Pfütze unter der Tasse.
    Cedric warf Sid einen ungehaltenen Blick zu. Dann zog er kopfschüttelnd die Tasse zu sich heran, um die Hände darum zu legen. Wärme durchströmte ihn.
    Wenn er eines vermisste in seinem Leben als Vampir, dannwar es der Genuss von Tee und Zigaretten, dachte Cedric wehmütig. Es gab einfach nichts mehr, mit dem er sich wirkungsvoll beruhigen konnte. Das Rauchen hatte er schon vor fast drei Jahrhunderten aufgegeben, weil ihn die Sinnlosigkeit zu sehr deprimierte. An Tee konnte er immerhin noch riechen und sich wärmen – dann war es fast wie damals, vor mittlerweile vierhundertneununddreißig Jahren, im England des späten neunzehnten Jahrhunderts, als er noch ein Mensch gewesen war und zu jeder Tages- und Nachtzeit Tee getrunken hatte. Cedric erinnerte sich gern daran, auch wenn von diesem jungen, dummen Menschen im Lauf der Jahrhunderte nicht viel übrig geblieben war. Inzwischen sah er nur noch mit viel gutem Willen aus wie siebenunddreißig, und er fühlte sich dabei meist noch viel älter, als er es wirklich war. Katherine machte oft ihre Scherze darüber, dass er mit seiner mittlerweile fast durchscheinenden Haut, den wirr in die Stirn hängenden Locken und den tiefen Augenringen mehr aussah wie eine wandelnde Leiche als wie ein lebendiger Vampir. Aber Cedric war nicht eitel genug, sich das Gesicht und die Hände zu pudern, wie es bei den älteren Vampiren in den letzten Jahren in Mode gekommen war. Er hielt nichts davon, menschlich aussehen zu wollen, wenn man seit Jahrhunderten kein Mensch mehr war.
    Tee allerdings mochte er immer noch.
    »Dunkel haben Sie’s hier drin, Doc.« Sid verschränkte die Arme vor der Brust und blies sich eine Haarsträhne aus der Stirn.
    Cedric sah auf, während er mit dem Ärmel seines Laborkittels die Flecken wegwischte. »Heute Abend bekommen wir Besuch, Sid. Einen Herrn vom Parlament. Ich will, dass du ihn hereinlässt.«
    Sid kaute auf einem seiner langen Fingernägel und sah zum Fenster, als hätte er Cedric nicht zugehört.
    »Eindringlinge, so so …«, murmelte er schließlich, und eine seiner Augenbrauen hob sich spöttisch.
    »Besucher«, korrigierte Cedric. »Das heißt, du sollst sie beobachten. Aber nicht mit ihnen sprechen oder dich zeigen, es sei denn, sie versuchen, in den oberen Stockwerken herumzuschnüffeln, wenn ich nicht dabei bin.«
    Auf Sids Gesicht erschien ein schmales Lächeln. Doch er sah Cedric noch immer nicht an. »Boom«, flüsterte er. »Dunkel, dunkel ist das.«
    Cedric runzelte unwillig die Stirn. »Sid …«
    »Schon klar, Doc.« Mit einem Ruck wandte Sid sich um, und sein Blick kehrte zu Cedric zurück. Ein Funkeln war in seine Augen getreten, das auf jeden anderen in seiner plötzlichen Schärfe wohl beängstigend gewirkt hätte. Aber Cedric bemerkte es kaum. Er kannte seinen Wächter einfach schon zu lange.
    »Hab verstanden. Sie können sich auf mich verlassen.« Sid entblößte die Zähne zu einem Grinsen.
    »Gut.« Cedric nickte. »Dann war das vorerst alles. Danke dir.«
    »Kein Thema, Doc. Ich freue mich drauf.«
    Sid wuchtete seine Füße wieder vom Tisch und stand auf.
    »Übrigens, wäre es nicht mal eine Idee, den Wassertank zu bestrahlen? Dann müsste ich nicht immer zu Fuß gehen, wenn Sie Tee wollen.«
    Cedric hob die Brauen. »Vielleicht eines Tages. Jetzt habe ich wirklich andere Sorgen.«
    Sid zuckte mit den Schultern. »War ja auch bloß ein Vorschlag.« Unter ihm begannen seine Füße, ihre Form zu verlierenund in den Boden hineinzufließen. Dann folgten seine Beine und sein Rumpf. Doch es ging ungewohnt langsam, als würde Sid noch zögern.
    »Wenn sie schnüffeln«, sagte er nachdenklich, als schon nur noch seine Brust und seine Schultern zu sehen waren, »darf ich sie dann austreiben?«
    Cedric verengte die Augen. Austreiben hieß in Sids Sprache so viel wie »vernichten«. Und Sid war wohl der einzige Vampir, der eine solche Drohung wirklich wahrmachen konnte.
    »Natürlich nicht«, antwortete er schroff. »Diese Leute sind offizielle Funktionäre des World Parliament, Sid.

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