Die Blutgabe - Roman
»Bitte hier entlang.«
Der Geruch nach Chemikalien begrüßte die kleine Gruppe, als sie einer nach dem anderen das Labor betraten. Janet und Pei Lin, die über ihre Mikroskope gebeugt gearbeitet hatten, hoben die Köpfe.
»Lasst euch nicht stören«, sagte Katherine und lächelte. »Wir sind gleich wieder weg.«
Der Gutachter und seine Gehilfen waren derweil in der Mitte des Raums stehen geblieben und sahen sich um. Keiner von ihnen konnte mit den Geräten und Essenzen, die hier aufgebaut waren, etwas anfangen, dachte Cedric und lächelte grimmig. Wahrscheinlich verbrachten sie ihre Zeit für gewöhnlich hinter ihren Schreibtischen und wälzten Akten und Formulare.
»Was Sie hier sehen, ist unser Genlabor«, erklärte er und bemühte sich, die Ungeduld in seiner Stimme zu verbergen. »Mrs. Warden – unsere zweite progressive Mitarbeiterin, wie Sie sehen – und Mrs. Mae werten hier gerade Blutproben aus, die wir von unseren Testobjekten und der Kontrollgruppe entnommen haben. Zudem beschäftigen wir uns damit, den genauen genetischen Code progressiven Blutes zu entschlüsseln, so dass wir in nicht all zu ferner Zukunft werden sagen können, welcher Genabschnitt für die Ausprägung des Blutersyndroms verantwortlich ist.«
Mr. Hanson hob die dichten schwarzen Brauen. »Ach. Und ich dachte, dieser Abschnitt wäre längst bekannt. Arbeiten Sie nicht schon seit sieben Jahren daran?«
Cedric musste sich beherrschen, um nicht mit den Zähnen zu knirschen.
»Die Decodierung eines kompletten Genoms nimmt sehr viel Zeit in Anspruch«, kam Katherine ihm zur Hilfe. »Wir wissen bereits, welche Enzyme die Symptome der Bluterkrankheit hervorrufen, und haben ihre Aminosäurefrequenz weitgehend entschlüsselt. Eines Tages werden wir vielleicht das entsprechende Allel ganz einfach herausschneiden oder blockieren können. Aber so lange wir nicht mit Bestimmtheit wissen, an welcher Stelle im Genom diese Enzyme exprimiert werden, und ob sie nicht noch für andere lebenswichtige Funktionen codieren, wäre diese Vorgehensweise zu riskant. Daher beschäftigen wir uns zur Zeit vorrangig damit, ein antagonistisches Enzym zu entwickeln.«
Cedric nickte erleichtert und warf Katherine einen dankbaren Blick zu. Er wusste, dass er diese Sachverhalte nicht so schnell und klar in Worte hätte fassen können. Er war einfach kein großer Redner.
Mrs. James schrieb schon wieder, und auch Mr. Hanson schien fürs Erste zufrieden zu sein. »Nun, ich denke, wir werden später noch einen genaueren Blick auf Ihre Forschungsunterlagen werfen«, sagte er. »Vielleicht setzen wir zunächst den Rundgang fort, was meinen Sie?«
Cedric atmete tief durch. »Selbstverständlich. Wenn Sie mir dann folgen wollen, dort drüben geht es weiter in die Biotechnik.«
Er ging voraus und schob die nächste Tür auf, wobei er sich einbildete, Pei Lin und Janet vernehmlich aufatmen zu hören.
»Bitte setzen Sie die Mundschutzmasken auf und ziehen Sie die Schutzumhänge über.« Katherine reichte den Besuchern in Folie eingeschweißte Pakete, als sie die Luftschleuseerreichten. Dann demonstrierte sie an sich selbst, wie die Ausrüstung anzulegen war. »In diesem Labor wird mit hochtoxischen Stoffen gearbeitet, und wir möchten Sie selbstverständlich keinem unnötigen Gesundheitsrisiko aussetzen. Ach, und Mrs. James – ich muss Sie bitten, Ihren Notizblock hier zurückzulassen. Das gleiche gilt für die Aktentasche. Alle fertig? Sehr schön.« Sie lächelte und drückte auf einen Knopf. Die Tür glitt mit einem leisen Zischen zur Seite.
Ein schlanker Vampir mit kurz geschnittenem schwarzem Haar, der ebenfalls eine Schutzmaske trug, erhob sich von seinem Stuhl, als sie eintraten.
»Das ist Kris Saturnine, unser Biotechniker«, sagte Cedric und zwang ein Lächeln auf sein Gesicht.
Nur noch kurz
, dachte er,
gleich haben wir es geschafft
. »Kris, das sind die Herren und die Dame vom World Parliament. Vielleicht möchtest du ihnen kurz erklären, woran du gerade arbeitest?«
Kris neigte grüßend den Kopf. »Gern. Bitte verzeihen Sie, dass ich Ihnen nicht die Hand gebe. Sicher hat man Ihnen bereits mitgeteilt, dass die Stoffe, an denen hier geforscht wird, nicht ganz ungefährlich sind.«
Er wies auf den Tisch, auf dem mehrere Petrischalen und Flaschen säuberlich aufgereiht waren. »Wie Sie vermutlich wissen, ist das natürliche Enzym Arretin bei konservativen Vampiren primär verantwortlich für die Fähigkeit zur Kontrolle des Blutflusses. Wie Blutproben
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