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Die Blutgabe - Roman

Die Blutgabe - Roman

Titel: Die Blutgabe - Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Franka Rubus
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misstrauisch machen. Und das zweite Stockwerk zu betreten, ohne dass Katherine es merkte, war vollkommen unmöglich. Sie schien dafür ein ganz besonderes Gespür zu haben.
    Während er den langen Gang mit den Stahltüren entlangging, hingen Kris’ Gedanken noch immer an dem Gespräch, das er mit Dr. Edwards geführt hatte. Es stimmte – er schlief wenig. Das lag an der doppelten Verantwortung, die er übernommen hatte – hier auf White Chapel und bei den
Bloodstalkers
. Manchmal kam er über Wochen hinweg überhaupt nicht dazu, sich auszuruhen. Und trotz viel guten Willens konnte er sich einfach nicht überwinden, jeden Tag die verwässerte, künstlich warm gehaltene Brühe aus den Blutkonserven zu sich zu nehmen. Dass diese Umstände der Beherrschung seiner Gabe nicht förderlich waren, hatte Kris natürlich gewusst. Aber Will würde eine noch höhere Belastung nicht überleben. Sein Blut war zudem kaum besser als das in den Konserven. Als Janet noch bei Kris war, war dieLage anders gewesen, aber das ließ sich nun einmal nicht mehr ändern. Und es war ja nicht so, dass er nicht längst versucht hätte, einen Ausweg aus dieser unangenehmen Lage zu finden.
    Das Mädchen von der Farm … Sie wäre seine Rettung gewesen. Aber nun ja. Es war schiefgelaufen.
    Verdammt schiefgelaufen.
    Er seufzte und hob den Riegel, um die Tür zu öffnen.
    »Hallo, Blue.«
    Die junge Frau auf dem Fußboden fuhr beim Klang seiner Stimme mit einem erstickten Schrei in die Höhe. Wind wehte vom offenen Fenster herein und blähte das Nachthemd um ihre dürre Gestalt. Aus großen Augen starrte sie zu ihm auf. Sie zitterte am ganzen Körper.
    Leise schloss Kris die Tür hinter sich.
    »Warum schläfst du eigentlich nie im Bett? Es ist doch kalt auf den Fliesen.«
    Blue öffnete den Mund und schloss ihn wieder – ein ums andere Mal, während sie eine bebende Hand zum Gesicht hob, als wolle sie sich gegen ein grelles Licht schützen. Doch kein einziges Wort kam über ihre bleichen Lippen.
    Kris ging zum Fenster hinüber und sperrte den Wind aus. »Hab keine Angst.« Er trat näher und ließ sich vor ihr in die Hocke nieder. »Ich werde dir nicht wehtun. Nicht heute. Ich verspreche es dir.«
    Sie kauerte sich noch weiter zusammen und schloss die Augen, als würde allein sein Anblick Schmerzen hervorrufen. Aber Kris konnte sehen, wie der Klang seiner Stimme sie beruhigte, und er lächelte.
    Als er nach ihr griff, um sie auf die Arme zu heben, ließ sie es widerstandslos geschehen.
    Behutsam trug Kris sie zum Bett hinüber und setzte sie neben sich. Er konnte ihre Glieder formen wie die einer Puppe. Sie sah ihn nicht an, sondern starrte nur mit leerem Blick auf ihre nackten Füße.
    »Heute geht es ganz schnell.« Kris schloss die Finger um ihre eisige Hand. Unter ihrer dünnen Haut konnte er die Pulsadern schimmern sehen. Er zog eine kleine Spritze aus der Tasche. »Halt schön still. Es sticht nur ein wenig.«
    Blue zuckte zusammen, als die Nadel in ihre Haut drang, doch sie blieb reglos sitzen und lehnte nur den Kopf schwer gegen seine Schulter.
    »So ist es gut«, murmelte Kris, während er beobachtete, wie das Blut zischend in das Röhrchen gesaugt wurde. »Ist schon vorbei, siehst du?« Er zog die Spritze zurück, entfernte die Nadel und verschloss das Gefäß sorgfältig, bevor er es in die Tasche seines Kittels gleiten ließ.
    Eine Weile blieb er stumm neben der jungen Bluterin sitzen und spürte, wie ihre Kälte durch die Schichten seiner Kleidung drang.
    »Gestern ist dein tapferer kleiner Freund bei mir zu Hause aufgetaucht«, sagte er und strich ihr sanft die hellen Locken aus der Stirn. »Red September. Er hat nach dir gefragt.«
    Blue hob schwerfällig den Kopf und sah ihn aus matten Augen an. »Die Sonne …«, flüsterte sie. »Wo ist bloß die Sonne?«
    Kris seufzte leise und legte seine Finger an ihre Wange. »Du hast recht. Es tut mir leid. Ich sollte dich nicht so verwirren.« Er lächelte. »Du wirst ihn bald wiedersehen. Und die Sonne auch. Hab nur noch ein wenig Geduld.«
    Blue schwieg. Doch nur Sekunden später spürte Kris, wie sich dünne Arme kraftlos um seine Brust schlangen.
    »Ich habe Angst«, wisperte Blue.
    Behutsam drückte Kris sie an sich. Sie so hilflos zu sehen stimmte ihn auf seltsame Weise melancholisch. Als Mensch war sie so kräftig und voller Energie gewesen, wie er es von einem Menschen aus dem Zuchtbetrieb niemals erwartet hätte. Ihr Blut hatte süß und stark geschmeckt – daran erinnerte er sich

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