Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
Vom Netzwerk:
ganzen Tag«, antwortete Elenja. »Die Sonne geht gleich unter.«
»Den ganzen Tag?«, wiederholte Andrej ungläubig. »Großer Gott,
ich habe den ganzen Tag geschlafen?« Er schlüpfte so hastig in seine
Kleider, wie er nur konnte, und wäre fast von der Bettkante gefallen,
als er sich vorbeugte und die Stiefel anzuziehen versuchte. »Wo ist
mein Schwert?«, fragte er.
»Auf dem Stuhl neben dir«, antwortete eine Stimme von der Tür
her. Andrej drehte sich erschrocken um, und Maria fuhr mit einem
angedeuteten Lächeln fort: »Aber du brauchst es nicht. Es sei denn,
du bist wirklich sehr unzufrieden mit der Art, wie Elenja deine Kleider gewaschen hat.«
Andrej blieb ernst. »Was soll das heißen: Ich brauche es nicht?«,
fragte er.
Maria bedeutete Elenja mit einem Blick, das Zimmer zu verlassen.
Sie trug wieder das Kleid aus rotem Brokat, das Andrej prachtvoller
und kostbarer denn je vorkam. Ihr Haar hatte sich auf unbegreifliche
Weise verändert. Es schien an Glanz gewonnen zu haben, und obwohl er wusste, dass das unmöglich war, hatte er den Eindruck, dass
es deutlich länger war als am Tag zuvor.
Maria wartete, bis das Mädchen das Zimmer verlassen und die Tür
hinter sich geschlossen hatte. Dann kam sie näher, blieb aber außerhalb seiner Reichweite stehen.
»Es tut mir wirklich Leid um deinen Freund«, sagte sie. Warum
nannte sie ihn nicht Abu Dun, wie sie es früher immer getan hatte?
Andrej stand auf, griff nach dem Schwertgurt, der über einem Stuhl
auf der anderen Seite des Bettes hing, und begann ihn sich mit steifen
Bewegungen umzulegen. Maria sah ihm stirnrunzelnd dabei zu. Sie
enthielt sich jeden Kommentars, aber Andrej wusste nur zu gut, was
ihre Blicke bedeuteten. Er hatte Mühe, seine Bewegungen zu koordinieren. Das Schwert schien einen Zentner zu wiegen. Er war sich
nicht sicher, ob er es auch nur aus der Scheide ziehen konnte, geschweige denn, damit zuschlagen. Trotzdem fragte er: »Wo ist Blanche?«
Maria beantwortete seine Frage mit einem Kopfschütteln. »Er ist
fort. Du brauchst deine Waffe nicht.« Sie hob die Hand, wie um ihn
zu berühren, und ließ den Arm dann wieder sinken.
»Was soll das heißen - fort?«, fragte Andrej barsch. »Wohin ist er
gegangen? Wann kommt er zurück?«
»Er kommt nicht zurück«, antwortete Maria. »Er ist gegangen. Für
immer.«
Andrej starrte sie an. »Gegangen? Wieso?«
»Aber er hat es dir doch gesagt«, antwortete Maria mit einem traurigen Lächeln. »Heute Morgen, als ihr euch im Stall getroffen habt.«
»Woher weißt du das?«, schnappte Andrej. »Du hast mit ihm gesprochen!«
»Nein«, antwortete Maria erschrocken. »Oder doch. Aber nicht
heute. Vergangene Nacht, als du geschlafen hast.«
»Vergangene Nacht«, wiederholte Andrej. »Und was habt ihr noch
so getan, während ich geschlafen habe?«
Maria wirkte verletzt. Sonderbarerweise bedauerte er das nicht.
»Es ist alles meine Schuld«, sagte Maria leise. »Es tut mir so Leid
um deinen Freund, Andrej.«
»Er hat einen Namen«, sagte Andrej scharf.
»Abu Dun«, antwortete Maria. »Verzeih.«
Andrej blickte starr an ihr vorbei ins Leere. »Wo ist er?«, fragte er.
»Wohin ist er gegangen?«
Maria schüttelte auch dieses Mal nur traurig den Kopf. »Ich weiß es
nicht«, sagte sie. »Er hat mir nicht verraten, wohin er geht.«
»Und wenn du es wüsstest, würdest du es mir nicht sagen«, vermutete Andrej.
»Du würdest versuchen, ihn zu finden«, antwortete Maria. »Und er
würde dich töten.«
»Falsch«, sagte Andrej. »Ich werde ihn finden. Und dann wird sich
zeigen, wer wen tötet.«
»Niemand kann Blanche töten«, antwortete Maria.
»Vielleicht hat es nur noch niemand ernsthaft versucht«, sagte Andrej grimmig.
Maria schüttelte traurig den Kopf. »Du verstehst immer noch
nicht«, seufzte sie. »Er ist unsterblich. Ich meine: wirklich unsterblich. Nicht nur langlebig und schwer zu töten wie du und ich, Andrej,
sondern wahrhaft unsterblich. Ich habe erlebt, wie man ihn in Stücke
gehackt hat. Verbrannt, bis kaum mehr als verkohlte Knochen von
ihm übrig waren. Lebendig begraben und unter Tonnen von Felsen
verschüttet.« Sie schüttelte heftig den Kopf. »Nichts von alledem
vermochte ihn zu töten. Ich glaube nicht einmal, dass er überhaupt
sterben kann. Du hast Recht, Andrej - ich würde es dir nicht sagen,
wenn ich wüsste, wohin er gegangen ist.
Ich will nicht, dass er dich tötet. Aber ich weiß es nicht.«
»Dann muss ich ihn eben ohne deine Hilfe finden«, sagte

Weitere Kostenlose Bücher