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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Wirkung des Schlafmittels, das Maria ihm gegeben hatte?
»Was habt ihr mit seinem Leichnam gemacht?«, fragte er.
»Abu Dun?« Maria kuschelte sich enger an ihn. »Wir haben ihn im
Wald begraben, unweit der Stelle, an der er… wo wir ihn gefunden
haben. Ich dachte, es wäre in deinem Sinne.«
»Wieso?«
Es dauerte eine Weile, bis Maria antwortete, so, als müsse sie sich
erst die passenden Worte zurechtlegen, um ihn zu überzeugen. »Er
ist ein Muselman. Ich weiß nicht, was sie mit seiner Leiche machen
würden, wenn sie sie finden. Die Menschen im Dorf sind nicht sehr
aufgeschlossen. Und nun, da Pater Lorenz tot ist…«
»… ist niemand mehr da, der Ulric und die anderen zurückhält«,
führte Andrej den Gedanken zu Ende. »Die anderen Toten…«
»… haben wir ebenfalls begraben«, unterbrach ihn Maria. »Nicht
sehr tief, fürchte ich. Spätestens im Frühjahr, wenn der Schnee geschmolzen ist, werden sie sie finden. Aber bis dahin sind wir schon
lange nicht mehr hier.«
Sie werden die Toten finden, und ein verlassenes Haus voller unheimlicher Dinge, und sie werden die Geschichte von der Blutgräfin
und den unheimlichen Fremden noch ihren Enkeln erzählen, dachte
Andrej bitter. Jetzt - viel zu spät - begriff er, was Abu Dun gemeint
hatte. Es war ihm lächerlich erschienen. Nun wurde ihm klar, dass
nur seine Reaktion auf Abu Duns Worte dumm gewesen war. Genau
wie der Nubier hatte sich auch Andrej stets nach einem Ort gesehnt,
an dem er bleiben und einfach leben konnte, einem Platz, an dem die
Menschen ihn akzeptierten und achteten, an dem sie nicht nach einer
Weile anfingen, hinter seinem Rücken zu tuscheln, ihm sonderbare
Blicke zuzuwerfen und ihn zu fürchten und am Schluss zu hassen.
Und genau wie Abu Dun hatte er stets gewusst, dass es einen solchen
Ort wahrscheinlich nicht gab. Aber Abu Dun war bescheidener gewesen. Er hatte sich nur einen Ort gewünscht, den sie verlassen konnten, ohne dass die Menschen dort sie verfluchten und Gott auf
Knien dankten, dass sie fort waren.
Nicht einmal dieser bescheidene Wunsch war ihm gewährt worden.
»Vielleicht sollten wir gleich gehen«, sagte er leise. »Bevor sie
merken, was passiert ist, und noch Schlimmeres geschieht.« Er versuchte sich vorzustellen, wie Ulric reagieren würde, wenn er vom
Tod seiner beiden Söhne erfuhr. Es war nicht besonders schwer.
»Gleich morgen«, bestätigte Maria. »Ich habe schon alle Vorbereitungen getroffen.« Andrej hob überrascht den Kopf. »Morgen
schon?«
»Was spricht dagegen?«, gab Maria zurück. »Mit ein wenig Glück
und wenn sich das Wetter nicht weiter verschlechtert, können wir in
einer Woche in Prag sein. Ich kenne dort jemanden, der uns Unterschlupf gewährt.«
»Prag?«, wiederholte Andrej zweifelnd. Ihm war nicht wohl bei
dem Gedanken.
»Warum nicht?«, fragte Maria. »Es ist eine wunderschöne Stadt.
Und sicher. Weit weg vom Krieg und Verrückten mit Mistgabeln und
Fackeln.«
»Das mag sein«, bestätigte Andrej.
»Aber es gefällt dir trotzdem nicht«, stellte Maria fest.
»Nein«, sagte Andrej. »Abu Dun und ich haben große Städte immer
gemieden.«
»Wie Wien zum Beispiel«, sagte Maria spöttisch.
»Das war etwas anderes«, sagte Andrej unwillig. »Und es hätte uns
fast umgebracht.«
»Das ist nicht wahr«, antwortete Maria. »Frederic hätte euch fast
umgebracht. Und wenn es stimmt, was mir erzählt wurde, dann wart
ihr es, die die Stadt gerettet haben.« Sie löste den Kopf von seiner
Schulter, zog die Knie an den Körper und verschränkte die Hände
davor. »Ihr habt euch doch immer einen Ort gewünscht, den ihr verlassen könnt, ohne dass die Menschen dort euch verfluchen. Wien
war ein solcher Ort.«
Andrej konnte nicht anders, als sie aus großen Augen anzustarren.
»Liest du meine Gedanken?«, fragte er schaudernd.
»Sicher«, antwortete Maria. Sie lachte. »Vor allem dann, wenn du
sie laut aussprichst, Dummkopf.«
»Nenn mich nicht so«, entgegnete Andrej.
»Also gut«, Maria lachte noch einmal, lauter.
Er hatte seine Gedanken laut ausgesprochen? Es fiel ihm schwer,
das zu glauben.
»Glaub es ruhig«, sagte Maria augenzwinkernd. »Du tust es nämlich immer noch.«
Andrej war völlig verstört. Er war sich sicher, ja, er wusste, dass er
den letzten Gedanken nicht laut ausgesprochen hatte.
»Mach dir keine Sorgen«, sagte Maria kopfschüttelnd. »Das liegt
an dem Pulver, das ich in deinen Wein gemischt habe. Es löst die
Zunge.«
»Du hast mir nicht gesagt, dass du eine

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