Die Blutgraefin
in den er sich im
Schlaf eingedreht hatte, und sah auf seine Hände hinab. Sie taten
weh. Auch die Spuren der Verbrennungen, die er sich zuvor zugezogen hatte, waren immer noch zu sehen. Etwas stimmte nicht mit ihm,
und es hatte keinen Sinn, die Augen davor zu verschließen.
Aber es waren weder die Schmerzen noch die Kälte, die ihn geweckt hatten, sondern eine intensive innere Unruhe.
Außerdem hatte er etwas gehört. Er konnte nicht sagen, was für ein
Geräusch es gewesen war oder woher es kam. Es hatte ihn geweckt,
und das allein war Grund genug, beunruhigt zu sein. Ein Leben voller Gefahren hatte ihn gelehrt, selbst im Schlaf harmlose von bedrohlichen Lauten zu unterscheiden.
Eine Woge von Kälte schlug über ihm zusammen und ließ ihn unter
dem viel zu dünnen Mantel erbeben. Vorsichtig rutschte er noch näher an das prasselnde Feuer heran. Er hätte nicht so extrem auf die
Kälte reagieren dürfen. Andrej steckte seine Hände unter die Achseln, um sie zu wärmen. In diesem Moment hörte er das Geräusch
wieder.
Es war ein leises, qualvolles Stöhnen. Im ersten Moment dachte er,
es käme aus dem Untergeschoss oder sogar von außerhalb des Hauses. Dann aber wiederholte es sich, und ihm wurde klar, dass es ganz
aus der Nähe kommen musste, vielleicht gedämpft durch eine Wand.
Alarmiert sah er auf. Sein Blick wurde von der zweiten Tür des
Kaminzimmers angezogen, die er vergessen hatte, ebenso wie das,
was dahinter lag.
Instinktiv wollte er aufspringen, zwang sich aber, noch einen Atemzug lang reglos und mit geschlossenen Augen zu lauschen - nicht
nur mit seinem Gehör, sondern auch mit allen anderen Sinnen, die
ihm zur Verfügung standen. Er war nicht allein. In seiner unmittelbaren Nähe befand sich ein Mensch, den Schmerzen und Angst quälten,
eine Angst, die Andrej, nachdem er darauf aufmerksam geworden
war, wie einen üblen Geruch wahrnehmen konnte, der mit jedem
Moment stärker wurde.
Schnell und lautlos stand Andrej auf, schlug den Mantel zurück und
zog ebenso lautlos das Schwert aus der Scheide, indem er die Klinge
zwischen Daumen und Zeigefinger der linken Hand hindurchgleiten
ließ, damit sie kein verräterisches Geräusch verursachte. Er konnte
immer noch nicht fassen, dass er das kleine Nebenzimmer mit seinem grässlichen Inhalt vergessen hatte. Nun, als hätte es dieses Begreifens bedurft, wurde ihm klar, wie viel anderes er in den letzten
Tagen vergessen, nicht richtig gedeutet oder übersehen hatte. Nicht
nur sein Körper begann ihn in zunehmendem Maße im Stich zu lassen.
Vorsichtig näherte er sich der Tür. Das Stöhnen wiederholte sich
nicht. Hinter der dünnen Wand herrschte eine fast unheimliche Stille.
Auch die Schwingungen von Angst und Entsetzen, die ihn geweckt
hatten, wurden rasch schwächer. Wer immer sich dort auf der anderen Seite befand, hatte sich entweder beruhigt - oder lag im Sterben.
Andrej brauchte nur einen Augenblick, um die Tür zu erreichen und
die Klinke herunterzudrücken, doch in dieser winzigen Zeitspanne
schossen ihm tausend grausige Bilder durch den Kopf, die ihm mehr
zusetzten, als es der Anblick jedes noch so Furcht einflößenden
Feindes vermocht hätte. War Blanche zurückgekommen? Hatte er
sich hereingeschlichen, sich Marias oder des Mädchens bemächtigt?
Er stieß die Tür auf und trat mit einem einzigen Schritt in den dahinter liegenden Raum.
Was er sah, war schlimmer als alle Schreckensvisionen, die ihm
durch den Kopf geschossen waren. Der Raum hatte sich nicht verändert. Er sah immer noch winzig und fensterlos aus. Immer noch
nahm die große Badewanne mit den Füßen in Löwenform einen
Großteil des vorhandenen Platzes ein.
Nur war sie nicht mehr leer.
Maria lag der Länge nach ausgestreckt nackt in der Wanne, die kein
Wasser enthielt, sondern deren Boden einen halben Finger hoch mit
einer dunkelroten Flüssigkeit gefüllt war, die einen unverkennbaren
Geruch verströmte. Elenja - nackt bis auf ein zerschlissenes Leibchen, das über und über mit dunkelbraun eingetrockneten Flecken
besudelt war - kniete am Fußende der Wanne. Sie hatte sich weit
vorgebeugt, sodass ihr Haar nach vorn gefallen war und Andrej den
Blick auf ihr Gesicht verwehrte. Aus ihren aufgeschnittenen Adern
lief ein dünner, stetig fließender Strom von Blut. Maria räkelte sich
in diesem grässlichen Bad. Ihre Augen waren geschlossen. Sie warf
den Kopf von der einen auf die andere Seite und stöhnte lustvoll. Ihre
Hände liebkosten ihren Körper,
Weitere Kostenlose Bücher