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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Menschen, den er vor so langer Zeit gekannt und geliebt hatte, noch in ihr war. Aber er würde Blanche suchen, und er würde für das büßen, was er ihr angetan hatte.
»Ich werde dir helfen«, sagte er. Maria sah ihn fragend an. Andrej
stand auf und schüttelte heftig den Kopf. »Das muss aufhören. Ich
weiß noch nicht wie, aber wir werden einen anderen Weg finden. Ich
helfe dir dabei.«
Maria sah stumm zu ihm hoch. Sie sagte nichts, doch in ihren Augen, die bisher dunkel vor Schmerz und Furcht gewesen waren,
glomm eine schwache, verzweifelte Hoffnung auf. Alles, was Andrej
noch empfand, war ein tiefes, allumfassendes Mitgefühl, das alle
anderen Gefühle und Gedanken einfach weggewischt hatte. Er wollte
sie in die Arme schließen, doch Maria wich zurück und bedeutete
ihm, still zu sein. Andrej lauschte konzentriert und glaubte, etwas zu
hören.
»Was war das?«, fragte er.
Maria schüttelte den Kopf. »Nichts«, sagte sie. »Ich dachte, ich hätte etwas gehört, aber da ist nichts.« Sie schlang die Arme um seinen
Nacken und zog ihn sanft an sich, um ihn zu küssen. Ihre Lippen
waren warm und weich. Sie schmeckten nach ihr, aber auch bittermetallisch nach Elenjas Blut. Andrej wehrte sich gegen ihre Umarmung, aber sein Widerstand war zwecklos. Maria war so viel stärker
als er, dass sie sein Sträuben gar nicht zur Kenntnis zu nehmen
schien. Schließlich gab Andrej nach. Er zog sie so fest an sich, wie er
nur konnte. In diesem Augenblick flog die Tür hinter ihnen auf, und
ein krächzender, halb erstickter Schrei erklang.
Andrej wirbelte hastig herum und versuchte sich von Maria zu lösen. Dabei verlor er beinahe das Gleichgewicht.
Er hatte sich also nicht getäuscht und tatsächlich ein Geräusch gehört. Unter der Tür stand Stanik und starrte ihn aus Augen an, die vor
Entsetzen schier aus den Höhlen zu quellen schienen. In der linken
Hand hielt er eine Sturmlaterne, deren flackerndes Licht den Raum in
ein Durcheinander von Schatten und tanzenden, roten Lichtreflexen
tauchte, und in der anderen einen langen Dolch. Alle Farbe war aus
seinem Gesicht gewichen. Sein Unterkiefer war heruntergeklappt
und die Zunge quoll ihm aus dem Mund, sodass er wie ein Idiot ausgesehen hätte, wäre da nicht der Ausdruck von Entsetzen auf seinen
Zügen gewesen.
Endlich war es Andrej gelungen, sich von Maria loszumachen und
einen Schritt in Staniks Richtung zu tun. Doch es war zu spät. Der
Junge erwachte mit einem Schrei aus seiner Erstarrung, prallte zurück und schleuderte Andrej zugleich die Laterne entgegen. Gedankenschnell duckte er sich und hörte, wie sie hinter ihnen klirrend
zerbrach. Etwas zischte, und der durchdringende Gestank von brennendem Öl erfüllte den Raum. Andrej warf einen erschrockenen
Blick über die Schulter zurück und sah, dass die Lampe auch Maria
verfehlt hatte und an der gegenüberliegenden Wand zerbrochen war.
Brennendes Öl lief an der Wand entlang zu Boden, und die Flammen
breiteten sich mit rasender Geschwindigkeit aus. Dennoch stürmte er
weiter und streckte den Arm aus, um Stanik zu packen.
Stanik überwand seine Überraschung und reagierte mit unerwarteter Schnelligkeit. Sein Messer zuckte hoch und zerschnitt Andrejs
Handfläche, und als der vor Schmerz aufschrie und den Arm zurückzog, bewegte sich die Klinge rasend schnell weiter und bohrte sich
dicht unterhalb seines Herzens in seinen Leib. Schmerz explodierte
wie ein greller Funkenschauer vor Andrejs Augen, und aus seinem
beherzten Vorwärtsstürmen wurde ein Stolpern, bis er hilflos auf die
Knie sank und zur Seite kippte, als Stanik seinen Dolch zurückriss
und ihm auch noch einen kräftigen Tritt versetzte. Ihm wurde
schwarz vor Augen. Hätte der Junge ihn weiter attackiert, hätte er
sich nicht einmal mehr wehren können. Stanik fuhr jedoch mit einem
Schrei herum und war im nächsten Moment auf der Treppe verschwunden. Andrej konnte seine gehetzten Schritte auf dem altersschwachen Holz poltern hören. Dann fiel die Haustür ins Schloss.
Stöhnend kämpfte sich Andrej in die Höhe, presste die Hand auf die
verletzte Seite und bemühte sich mit aller Macht, den Schmerz niederzukämpfen. Es gelang ihm, sich gegen die Ohnmacht zu wehren,
die ihn in ihre dunkle Umarmung hinabzuziehen versuchte. Warmes
Blut strömte zwischen seinen Fingern hindurch und lief an seiner
Seite hinab. Ein furchtbares Zischen und Tosen umgab ihn. Er roch
heißes Öl und brennendes Holz. Maria schrie. Mit einer letzten,

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