Die Blutgraefin
zurückkommt?«, fragte Stanik.
»Wir kommen zurück!«, antwortete Andrej.
»Und falls nicht«, fügte Abu Dun hinzu, »wirst du vermutlich der
Erste sein, der es erfährt, weil dann nämlich jemand anderes hier
auftaucht.«
Andrej hütete sich, irgendetwas zu sagen. Jeder Versuch, Abu Dun
zum Schweigen zu bringen, hätte ihn nur zu weiteren Bemerkungen
dieser Art gereizt.
Ulric schien das ähnlich zu sehen. Auch er beließ es bei einem besorgten Blick und einem Schulterzucken.
Andrej wandte sich entschlossen um und ging in die Richtung los,
die Ulric ihnen beschrieben hatte. Er wartete, bis er ganz sicher war,
dass sie sich nicht mehr in Hörweite Ulrics und seines Sohnes befanden, bevor er das Schweigen brach. »Weißt du, was ich mich frage?«
»Was wir hier tun - außer natürlich, uns umbringen zu lassen?«
»Was Ulric meinte, als er zu seinem Sohn sagte, er hätte schon genug Schaden angerichtet«, antwortete Andrej ungerührt. »Ich werde
das Gefühl nicht los, dass unsere neuen Freunde uns nicht die ganze
Wahrheit erzählt haben.«
»Vermutlich trauen sie uns nicht.« Abu Dun lachte leise. »Würdest
du an seiner Stelle dir trauen?«
»Nicht einmal an meiner«, entgegnete Andrej. Er blieb kurz stehen,
um sich zu orientieren, und deutete dann nach vorn. Selbst ihm fiel
es schwer, die genaue Richtung zu bestimmen, in die sie zu gehen
hatten. Ohne seine und Abu Duns übermenschlich scharfen Sinne
hätten sie sich schon nach den ersten Schritten hoffnungslos verirrt.
Immerhin - das Schloss lag im Tal.
Solange sie bergab gingen, konnten sie nichts grundlegend falsch
machen.
Sie setzten ihren Weg schweigend fort, was nicht nur daran lag,
dass sie sich bemühten, möglichst leise zu sein. Andrej bemerkte es
erst nicht, aber nach einer Weile ertappte er sich dabei, immer langsamer zu gehen. Irgendwann fiel es auch Abu Dun auf. »Ich habe sie
bis jetzt noch nicht gesehen«, stellte er fest.
Andrej sah ihn verwirrt an. »Wen?«
Der Nubier deutete mit dem ausgestreckten Zeigefinger nach oben.
»Du hast in den letzten zehn Minuten mindestens ebenso oft nach
oben geblickt. Könnte es sein, dass du etwas suchst? Einen großen
Vogel mit weißen Federn und gelben Augen vielleicht?«
»Ich glaube nicht, dass wir ihn sehen würden, selbst wenn er hier
wäre«, antwortete Andrej. »Nicht, wenn er es nicht will.«
Er wollte weitergehen, aber Abu Dun schüttelte den Kopf und hielt
ihn - grober als notwendig - am Arm fest. »Du hast meine Frage
nicht beantwortet«, beharrte er.
»Das könnte daran liegen, dass du mir keine gestellt hast«, antwortete Andrej unwirsch. Er versuchte sich loszureißen, aber Abu Dun
hielt ihn mit unerbittlicher Kraft fest. Andrej hätte Gewalt anwenden
müssen, um sich zu befreien, und er spürte, dass er damit eine Grenze überschritten hätte, der er in den letzten Wochen gefährlich nahe
gekommen war. Er entspannte sich, und nach einem Moment zog
Abu Dun die Hand zurück.
»Früher wäre es nicht nötig gewesen, sie auszusprechen«, sagte er.
»Aber gut, wie du willst.« Er deutete in die Richtung, in die sie sich
bewegten. »Was willst du dort? Zuerst konntest du gar nicht schnell
genug von hier verschwinden und dann hättest du mir am liebsten
den Kopf abgerissen, als dieser Kerl dir verraten hat, dass ich mit
Ulric eine Abmachung getroffen habe.«
»Da wusste ich auch noch nicht, mit wem wir es zu tun haben«,
antwortete Andrej.
»Und jetzt weißt du es?«
»Nein«, erwiderte Andrej. »Aber wir werden es herausfinden.« Er
bemerkte Abu Duns Gesichtsausdruck. »Willst du das etwa nicht
wissen?«
Der Nubier zögerte einen Moment, bevor er antwortete, und er sah
Andrej dabei nicht an. »Ich bin nicht sicher.«
»Du bist nicht sicher?« Andrej musste den ungläubigen Ton in seiner Stimme nicht spielen. »Was soll das heißen? Dieser Kerl hätte
uns um ein Haar umgebracht - mit bloßen Händen! Und du bist nicht
sicher, ob du wissen willst, wer oder was er ist?«
»Ich habe ein ungutes Gefühl dabei«, antwortete Abu Dun. »Das ist
alles.« Er zögerte wieder. »Also gut: Der Kerl jagt mir eine Heidenangst ein.«
»Angst? Dir?« Andrej versuchte zu lachen, aber alles, was er zu
Stande brachte, war ein schrilles Krächzen, das ihn an den nächtlichen Schrei einer Eule erinnerte.
»Ich habe keine Angst zu sterben, Hexenmeister«, entgegnete Abu
Dun gereizt. »Mein ganzes Leben lang wusste ich, dass ich eines
Tages meinen Meister finden würde, selbst nachdem ich
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