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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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Andrej schließlich.
    Abu Dun riss ein Stück von dem Brotlaib ab, der neben seinem hölzernen Teller lag, und ließ es zwischen seinen strahlend weißen Zähnen verschwinden.
    »Also was?«, fragte er mit vollem Mund zurück. Er blickte Andrej
immer noch nicht an, sondern griff nach seinem Becher und nahm
einen gewaltigen Schluck.
    »Eigentlich wollte ich mich lediglich erkundigen, ob du gut geschlafen hast«, sagte Andrej leicht gereizt.
»Danke der Nachfrage«, antwortete Abu Dun. Laut schlürfend
nahm er einen weiteren Schluck aus seinem Becher. Andrej sah nun
deutlich, dass dieser einen eingetrockneten Rand hatte, der wie
schmieriger Grind aussah, und musste gegen ein heftiges Gefühl von
Übelkeit ankämpfen. »Wie ein Baby.«
»Trotz der Flöhe, mit denen du das Lager geteilt hast?«
Abu Dun grinste, wobei er Andrej einen Blick auf den breiigen Inhalt seines Mundes gewährte. Das flaue Gefühl in Andrejs Magen
nahm zu. »Wie sprichst du denn über unsere Verwandten?«, feixte
Abu Dun.
»Verwandte?«
»Ich gebe zu, es sind nur kleine Blutsauger«, fuhr Abu Dun fort, so
laut, dass der kleine Mann am Nebentisch aufsah und ihm einen
missbilligenden Blick schenkte. Der Nubier griff erneut nach seinem
Becher. Eine dünne Spur der Flüssigkeit rann an seinem Kinn hinab.
»Bist du ganz sicher, dass alles in Ordnung ist?«, erkundigte sich
Andrej. Aus seiner Verwirrung wurde Sorge. Er konnte sich nicht
erinnern, Abu Dun jemals so erlebt zu haben. Wie die meisten Muselmanen war der Nubier außerordentlich reinlich. Ein derart unflätiges Benehmen war bei ihm äußerst befremdlich.
»Was soll mit mir nicht in Ordnung sein?«, fragte Abu Dun mit
vollem Mund. Er hob eine fettige Hand, um den Wirt herbeizuwinken. Die Eilfertigkeit, mit der der Mann um seine Theke herumwirbelte und einen zweiten Becher für Andrej sowie einen Holzteller mit
einer streng riechenden Masse brachte, gab Andrej einen Hinweis auf
das, was dort unten geschehen sein mochte, während er noch geschlafen hatte.
Andrej vermied es, den Teller genauer in Augenschein zu nehmen.
Er ließ es zu, dass sein Becher mit dampfendem Glühwein gefüllt
wurde, wenn er auch wusste, dass er nichts von diesem Zeug herunterkriegen würde. Er wartete, bis der Wirt außer Hörweite war.
Dann fragte er: »Kannst du mir verraten, was dieser Unsinn soll?«
»Unsinn?«
»Verdammt, du…« Andrej biss sich auf die Unterlippe und
schluckte die restlichen Worte herunter, als der Gast am benachbarten Tisch neugierig aufsah. »Was soll das Theater?«, fuhr Andrej
deutlich leiser fort. »Du benimmst dich wie ein Schwein.«
»Immerhin wie ein waches Schwein«, erwiderte Abu Dun grinsend.
Er trank einen weiteren Schluck, wobei noch mehr Wein an seinem
Kinn herablief und auf die Tischplatte tropfte, knallte den Becher
unnötig hart auf den Tisch und rülpste laut. Der Mann am Nebentisch
schien genug zu haben. Er stand auf, stieß seinen Stuhl zurück und
wandte sich zur Tür. Während er sich die Kapuze seines zerschlissenen Mantels über den Kopf zog, murmelte er etwas Unverständliches. Es fiel Andrej nicht schwer sich vorzustellen, was es wohl gewesen war. Durch die geöffnete Tür sah er, dass es wieder zu schneien begonnen hatte.
»Ich verstehe«, bemerkte er griesgrämig. »Du wolltest das ganze
Lokal für dich haben.«
Abu Duns Grinsen wurde breiter. Er schmatzte mit offenem Mund.
»Das haben wir sowieso«, sagte er. »Heute ist Sonntag. Alle braven
Christenmenschen sind jetzt in der Kirche und scheuern sich die
Knie wund. Ich bin ein ungläubiger Heide aus dem Morgenland -
aber welche Entschuldigung hast du, Hexenmeister?«
»Du bist…«, begann Andrej, doch Abu Dun unterbrach ihn mit einer knappen Geste, griff nach dem schwarzen Tuch, das neben seinem Teller auf dem Tisch lag, und wischte sich damit den Mund ab.
Sein unverschämtes Grinsen erlosch schlagartig. »Ich habe das eine
oder andere herausgefunden, während du gemütlich ausgeschlafen
hast«, sagte er. »Willst du es hören?«
Andrej hob die Schultern. Irgendetwas stimmte nicht.
Abu Dun begann mit geschickten Bewegungen das schwarze Tuch
zu einem Turban zu wickeln. »Die guten Leute hier leben streng
nach den Geboten eurer Bibel«, erklärte er spöttisch. »Sie gehen
pünktlich bei Tagesanbruch in die Kirche - was sie allerdings nicht
daran hindert, vorher noch einen kräftigen Schluck zu sich zu nehmen. Und sie scheinen nichts gegen Fremde zu haben. Ich hatte jedenfalls keine

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