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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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sollen.« Er verstand selbst nicht, warum sich
das vertraute, scherzhafte Wortgeplänkel zwischen ihnen auf eine nie
gekannte Art zu trüben begann.
»Vielleicht hast du ja Recht, du ungläubiger Bastard einer gottlosen
Heidin«, grollte Abu Dun. »Ich hätte dich fragen sollen.« Sein ohnehin nachtdunkles Gesicht verfinsterte sich weiter. Zorn trat in seine
Augen. »Aber wenn du es noch einmal wagst, Allah oder seine Heiligtümer zu beleidigen, dann schwöre ich, reiße ich dir bei lebendigem Leib die Eingeweide heraus und zwinge dich, dabei zuzusehen,
wie ich sie an die räudige Hündin verfüttere, die deine Mutter gewesen ist!«
»Das klingt einigermaßen bedrohlich«, sagte Andrej. Dann grinste
er. »Kannst du das noch einmal sagen?«
»Ich könnte es dir zeigen«, schlug Abu Dun vor. »Das Schöne an
einem unsterblichen Bastard wie dir ist, dass man es beliebig oft
wiederholen kann, bis man mit dem Ergebnis halbwegs zufrieden
ist.«
»Spar dir deine Kräfte«, empfahl Andrej. »Du wirst sie noch dringend brauchen.«
»Für dich?«, fragte Abu Dun feixend.
»Nein«, antwortete Andrej. »Für jemanden, dessen Namen ich nicht
kenne. Aber er hat eine Vorliebe für Weiß.«
Abu Duns Feixen endete mit einem Schlag. »Du willst…«
»Du«, unterbrach ihn Andrej, »wolltest doch einen richtigen
Kampf, oder?«
»Mit einem Mann, der nicht zu besiegen ist?« Abu Dun dachte mit
angestrengt gerunzelter Stirn nach.
»Warum nicht? Eigentlich wollte ich immer schon mal wissen, wie
sich die armen Hunde fühlen, die gegen uns antreten müssen.«
    Das Schloss war nicht einmal in seinen besten Zeiten, die schon eine geraume Weile zurückliegen mussten, als Schloss zu bezeichnen
gewesen. Andrej schätzte, dass es früher einmal ein nicht allzu großer Bauernhof gewesen war, den einer seiner Besitzer um einen niedrigen Wehrturm zu erweitern begonnen hatte, der offensichtlich niemals beendet worden war. Das Anwesen machte einen heruntergekommenen Eindruck. Das Dach der Scheune, die das größte Gebäude
des Hofes darstellte, war eingefallen. Bei Tag hätte man erkennen
können, dass sie irgendwann einmal gebrannt hatte. Auch der Rest
der Gebäude ähnelte eher einer Ruine als einem von Menschen bewohnten Anwesen. Nur hinter einem einzigen Fenster brannte Licht,
das von einer einsamen Kerze stammte.
    »Schloss?« Abu Dun fasste in Worte, was Andrej gedacht hatte.
»Da, wo wir herkommen, nennt man so etwas allenfalls eine Ruine.«
»Es war ein Schloss, bevor die Teufelin gekommen ist«, beharrte
Stanik. »Sie hat es verhext!«
Abu Dun setzte zu einer spöttischen Entgegnung an, hielt dann aber
zu Andrejs Erleichterung den Mund und beließ es bei einem resignierenden Seufzen und einem Kopfschütteln, mit dem er sich wieder
umwandte und auf die düsteren Gebäude im Tal hinuntersah. Eine
ganze Zeit lang standen sie schweigend da, dann sagte er: »Es sieht
verlassen aus.«
»Dort unten ist es immer dunkel«, sagte Stanik. »Wahrscheinlich
fürchten sie das Licht, diese Kreaturen der Finsternis.«
Andrej verkniff sich eine Antwort auf diesen Unsinn. Er blickte
konzentriert auf das Haupthaus hinab und bemerkte lediglich: »Im
ersten Stock brennt eine Kerze.«
»Und im Turm ebenfalls«, fügte Abu Dun hinzu.
Andrej sah noch einmal genauer hin und nickte. Das winzige rötliche Flackern war ihm bisher entgangen, aber Abu Dun hatte Recht.
Auf diesem Hof waren also vermutlich mindestens zwei Menschen
anwesend.
»Ihr habt scharfe Augen«, bemerkte Stanik argwöhnisch, während
er zuerst Andrej und dann Abu Dun einen misstrauischen Blick zuwarf.
Andrej tat so, als habe er es nicht bemerkt, nahm sich aber insgeheim vor, in Zukunft vorsichtiger zu sein.
Der Hof lag eine gute Dreiviertelmeile entfernt unter ihnen im Tal.
Auf diese Distanz hatte selbst er Mühe, mehr als ein Gemenge ineinander fließender Schatten und bruchstückhafter Umrisse zu erkennen.
»Wir sind in solchen Dingen geübt«, antwortete er beiläufig. »Es ist
gar nicht so schwer, wenn man den Bogen einmal raus hat.«
Auch Ulric warf ihm einen zweifelnden Blick zu. Andrej drehte
sich rasch um und trat in den Schutz der schneebedeckten Büsche
zurück, hinter denen sie ihre Pferde angebunden hatten. Abu Dun
und - nach kurzem Zögern - auch Ulric und sein Sohn folgten ihm.
Andrej stampfte heftig mit den Füßen auf, um die Kälte aus seinen
Zehen zu vertreiben, und hielt die Hände vor den Mund, um hineinzublasen. Nichts davon half. Es war inzwischen so

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