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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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erbärmlich kalt
geworden, dass er das Gefühl hatte, Eis auszuatmen.
»Das ist also das Schloss der Menschenfresserin«, sagte Abu Dun
geringschätzig, nachdem er stehen geblieben war, um sich den
Schnee aus dem Turban zu klopfen. »Brennen wir es ab, oder werfen
wir lange genug mit Schneebällen, um eine Lawine auszulösen?«
»Das ist nicht komisch, Heide«, mahnte Ulric. »Wir sind hier, um
das Mädchen zu retten, nicht, um es umzubringen.«
»Das kommt ganz darauf an, von welchem Mädchen wir reden«,
antwortete Abu Dun übermütig. Ulrics Miene verdüsterte sich weiter,
und Stanik setzte zu einer scharfen Entgegnung an. Er war ihnen in
einigem Abstand gefolgt, aber nicht weit genug entfernt, um nicht zu
hören, was Abu Dun gesagt hatte.
»Beruhigt euch«, sagte Andrej rasch. »Niemand hat vor, irgendjemanden umzubringen.«
»Wenigstens jetzt noch nicht«, fügte Abu Dun munter hinzu.
Andrej tat das Einzige, was er in diesem Moment noch tun konnte:
Er missachtete ihn. »Seid ihr sicher, dass das Mädchen überhaupt
noch lebt?«, fragte er.
»Es ist noch ein Tag bis Neumond«, antwortete Ulric. »Alle ihre
Opfer sind in der Neumondnacht verschwunden. Deshalb sind Niklas
und seine Söhne auch vergangene Nacht losgezogen, um Elenja zu
suchen.«
»Sie ist noch am Leben«, fügte Stanik hitzig hinzu. »Ich weiß es.«
Abu Dun sparte sich die Frage, woher er das wissen wollte, aber
man konnte sie deutlich in seinen Augen lesen. Staniks Lippen wurden zu einem blutleeren, dünnen Strich.
»Genug«, sagte Andrej scharf. »Wir sind schließlich nicht hergekommen, um miteinander zu streiten.« Er wandte sich an Ulric. »Wie
viele Leute leben dort unten?«
»Nur die Hexe, ihr Beschützer und…« Er zögerte fast unmerklich.
»… eine Zofe.«
»Elenja.«
»Sie hat immer nur eine Dienerin«, bestätigte Ulric. Er wich Andrejs Blick aus und auch dem seines Sohnes. »Sie sagt, sie braucht
nicht mehr Dienerschaft.«
»Wie sieht es dort unten auf dem Hof aus?«, fragte Abu Dun. »Ich
nehme an, du warst schon einmal dort?«
»Nicht, seit sie hier ist«, antwortete Ulric. »Vorher schon.«
»Dann beschreib uns das Gebäude«, verlangte Abu Dun. »Wie sieht
es im Innern aus? Wie viele Zimmer gibt es? Wo schläft die Gräfin,
und vor allem, wo finden wir das Mädchen?«
»Ich zeige es euch«, warf Stanik ein. »Genau wie den Weg hinunter
ins Schloss. Der Weg durch den Wald ist nämlich nicht ungefährlich,
vor allem bei diesem Wetter.«
Sein Angebot hatte natürlich weder mit dem Wetter zu tun noch mit
seiner Sorge um Abu Dun oder Andrej. Andrej hätte an seiner Stelle
vermutlich nicht anders gehandelt. Trotzdem schüttelte er entschieden den Kopf. »Beschreib uns den Weg und das Haus«, gebot er,
»das wird genügen.«
»Ich komme mit!«, beharrte Stanik. »Ich werde bestimmt nicht…«
»… dem Leben und das des Mädchens in Gefahr bringen?«, fiel
ihm Andrej ins Wort. »Das wäre viel zu gefährlich.« Er gab Stanik
keine Gelegenheit, noch einmal zu widersprechen, sondern wandte
sich an dessen Vater. »Du bist mir dafür verantwortlich, dass er keinen Unsinn macht… Ihr wartet hier auf uns. Wenn wir bis Mitternacht nicht zurück sind, dann geht nach Hause.«
»Ich werde…«, begehrte Stanik auf, wurde aber sofort von seinem
Vater zum Schweigen gebracht.
»Genug! Du wirst ausnahmsweise tun, was man dir sagt, und einfach den Mund halten. Oder meinst du, du hättest noch nicht genug
Schaden angerichtet?«
Stanik durchbohrte seinen Vater mit bitterbösen Blicken, wagte aber nicht, noch einmal zu widersprechen. Er wandte sich verärgert ab
und trat wütend nach einer Schneewehe, die mit einem seidigen Rascheln auseinander stob. Abu Dun grinste, während Andrej den langhaarigen Jungen besorgt musterte. Er spürte, dass Stanik ihnen noch
Schwierigkeiten machen würde.
»Bitte verzeih meinem Sohn«, sagte Ulric steif. »Er ist ein guter
Junge, aber er ist auch verliebt, und er ist krank vor Sorge um Elenja.
Was genau wollt ihr wissen?«
Ulric beantwortete geduldig und präzise alle Fragen, die ihm gestellt wurden. Als er mit seinem Bericht zu Ende gekommen war,
hatte Andrej das Gefühl, das heruntergekommene Schloss so gut zu
kennen, als sei er selbst schon dort gewesen.
»Also gut«, sagte er and warf einen raschen Blick in den Himmel
hinauf. Eine nahezu geschlossene Wolkendecke war aufgezogen, die
weitere ergiebige Schneefälle befürchten ließ. »Wir haben gut zwei
Stunden.«
»Und wenn ihr nicht

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