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Die Blutgraefin

Die Blutgraefin

Titel: Die Blutgraefin Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Hohlbein
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herumfahren.
Hinter ihm stand Blanche. Andrej fasste sich rasch wieder und suchte
den Schnee hinter Blanche ab. Deutliche Spuren führten vom Haupthaus direkt zum Turm.
    »Ich dachte, ich hätte Euch gebeten, auf mich zu warten«, sagte
Blanche tadelnd. »Es ist gefährlich, allein hier herumzulaufen. Man
kann leicht Schaden nehmen.«
    »So leicht bin ich nicht umzubringen«, entgegnete Andrej.
»Bringt mich lieber nicht in Versuchung herauszufinden, wie leicht«, antwortete Blanche. Er sah sich nach allen Seiten um. »Wo
ist Euer ungläubiger Freund?«
»Abu Dun lässt Euch ausrichten, wie sehr er es bedauert, Eurer Einladung nicht folgen zu können«, sagte Andrej, »aber leider…«
»Er ist also nicht hier«, fiel ihm Blanche ins Wort. »Nein.«
Blanche nickte. »Er ist wieder bei diesem Ulric«, schloss er verdrießlich.
»Wenn Ihr es schon wisst, warum fragt Ihr dann?«
»Ich habe es nicht gewusst«, entgegnete Blanche scharf, »ich habe
es befürchtet. Nur hatte ich gehofft, dass er vielleicht doch noch Vernunft annehmen würde.«
Sein Gesicht verriet, dass er in Wahrheit nichts anderes erwartet
hatte. Schließlich streckte er die Hand aus. Andrej legte die Rechte
auf den Schwertgriff und straffte die Schultern. Blanche verzog abschätzig die Lippen. »Ich will Eure Zügel, nicht Euer Schwert!«,
sagte er spöttisch. »Oder wollt Ihr das Pferd vielleicht mit hineinnehmen?«
Bemüht, sich seine Verlegenheit nicht anmerken zu lassen, reichte
Andrej Blanche die Zügel. Blanche führte das Pferd über den verschneiten Hof in Richtung der teilweise heruntergebrannten Stallungen, was Andrej zu einem skeptischen Stirnrunzeln veranlasste.
»Keine Sorge«, sagte Blanche, dem Andrejs Reaktion nicht entgangen war. »Es sieht von außen schlimmer aus, als es ist. Eurem Tier
wird nichts geschehen.«
»Wer sagt, dass ich mir Sorgen um das Pferd mache?«, gab Andrej
zurück.
Blanche lachte. »Jetzt erzählt mir nicht, Ihr wärt Besseres gewohnt.«
»Von Zeit zu Zeit.«
Blanche warf ihm einen abfälligen Blick zu, lenkte seine Schritte
weiter nach rechts und schüttelte den Kopf, als Andrej ihm folgen
wollte. »Ihr werdet im Haus erwartet.«
»Seid Ihr sicher, dass Ihr mich mit Eurer Herrin allein lassen
wollt?«, fragte Andrej spöttisch.
Blanche lächelte, aber in seinen gelben Augen war von Gelöstheit
keine Spur zu sehen. »Ich werde in der Nähe sein«, sagte er. »Seid
dessen gewiss. Näher, als Ihr vielleicht glaubt.«
Andrej wusste, dass jegliche Erwiderung überflüssig war. Blanche
und er würden stets auf verschiedenen Seiten stehen. Er begriff in
diesem Moment mit absoluter Gewissheit, dass sie das, was sie zuvor
im Wald begonnen hatten, auf die eine oder andere Weise zu Ende
bringen würden.
Er sah dem Weißhaarigen nach, bis er in der Ruine des Stalles verschwunden war, dann wandte er sich schaudernd um und ging zum
Haus. Es war kälter geworden, und das Tageslicht war mittlerweile
fast völlig verblasst.
Beim Haus angekommen, erlebte er eine Überraschung. Ohne dass
er geklopft hätte, wurde die Tür geöffnet. Andrej blickte in das Gesicht eines vielleicht sechzehnjährigen Mädchens mit schulterlangem
dunklem Haar und freundlichen Augen, in denen sich eine Mischung
aus Neugier und Furcht spiegelte.
»Guten Abend«, begann er unsicher. »Ich bin…«
»Andrej«, unterbrach ihn das Mädchen. »Ihr müsst Andrej Delãny
sein.« Der seltsame Ausdruck in ihren Augen wurde von einem
strahlenden Lächeln abgelöst, während sie zurücktrat und eine unbeholfene Bewegung machte, die eine Mischung aus einer einladenden
Geste und einem Hofknicks darstellte. »Tretet ein, Herr. Gräfin Berthold erwartet Euch bereits.«
Andrej folgte der Einladung - und erlebte eine zweite, noch größere
Überraschung. Der Raum, in den er trat, entsprach in keiner Weise
dem schäbigen Äußeren des Hauses. Auf dem Boden lag ein zwar
alter, aber kostbarer Teppich. Die Wände waren frisch getüncht worden. Eine Anzahl brennender Kerzen verbreitete mildes, gelbes
Licht, das zusammen mit einigen Möbelstücken, die in wuchtigem
Bauernstil gehalten waren, für eine durchaus wohnliche Atmosphäre
sorgte. Es roch auch nicht wie erwartet nach Schimmel und Verfall,
sondern nach gebratenem Fleisch und brennendem, trockenem Kiefernholz.
»Seid Ihr nicht zufrieden, Herr?«, fragte das Mädchen. Andrejs ungläubige Blicke waren ihm nicht entgangen. »Ich weiß, Ihr seid Besseres gewohnt, aber ich habe den ganzen Tag

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