Die blutige Arena
Federn geschmückten Hute leuchtete das glänzende Gold ihrer Haare hervor.
Gallardo kannte sie, es war Doña Sol, die Nichte des Marquis de Moraima. Ohne sich um die Bewegung der Neugier zu kümmern, ging sie zwischen den anderen Frauen weiter, zufrieden über das Aufsehen und die leisen Bemerkungen, welche sie erregte, als ob das alles eine natürliche Huldigung wäre, die sie überall bei ihrem Erscheinen erweckenmußte. Ihre gesuchte Eleganz und der große Hut ließen sie aus der Menge der anderen Frauen, welche alle den dunklen nationalen Kopfputz trugen, hervorstechen. Sie kniete sich nieder, neigte den Kopf, als ob sie einen Augenblick betete, und dann schweiften die Blicke ihrer leuchtenden Augen, deren helles Blau wie im Reflex des Goldes schimmerte, ruhig durch die Kirche, als wäre sie in einem Theater, wo sie Bekannte suchte. Diese Augen schienen zu leuchten, wenn sie das Antlitz einer Freundin erblickten, und weitergehend trafen sie plötzlich die Blicke Gallardos, der sie starr betrachtete.
Der Torero war nicht gerade bescheiden. Gewohnt, sich in der Arena im Mittelpunkt des Interesses von tausend und abertausenden zu sehen, glaubte er, daß er überall dort, wo er sich zeigte, die Blicke der Anwesenden auf sich ziehen müsse. Viele Frauen hatten ihm in Stunden der Vertraulichkeit die Erregung gestanden, welche sie fühlten, als sie ihn das erste Mal in der Arena erblickten. Die Augen der Doña Sol senkten sich nicht, als sie die seinen trafen. Sie blieben vielmehr in der ruhigen Sicherheit der großen Dame kühl und gelassen, so daß der Torero welcher den Reichen gegenüber noch immer das Gefühl der Abhängigkeit hatte, den Blick abwandte.
»Was für eine Frau,« dachte Gallardo in seiner Eitelkeit, »wenn sie mir gehörte!« Außerhalb der Kirche empfand er den zwingenden Wunsch, sich nicht zu entfernen, sie noch einmal zu sehen, weshalb er sich an die Kirchentüre stellte. Seine Ahnung verkündete ihm etwas Außergewöhnliches, genau so, wie er es an Tagen seiner Erfolge empfand: Eswar das Gefühl, welches ihn trotz der Einsprache des Publikums über alle Tollheiten glücklich hinweg kommen ließ.
Als sie aus der Kirche trat, schaute sie ihm ohne jedes Befremden entgegen, als hätte sie erwartet, ihn an der Türe zu finden. Sie stieg in einen offenen Wagen, und als der Kutscher die Pferde antrieb, wandte sie den Kopf, um nach dem Torero zu sehen, während ihr Mund ein leises Lächeln zeigte.
Gallardo war den ganzen Tag hindurch zerstreut. Er dachte an seine früheren Liebschaften, an seine Erfolge und Eroberungen, die ihn mit Stolz erfüllten und ihn dazu verleiteten, sich für unwiderstehlich zu halten, ihm jetzt aber das Gefühl der Beschämung erweckten. Eine Frau wie jene, eine große Dame, welche in der Welt herumgekommen war und nun in Sevilla wie eine entthronte Königin lebte, das wäre eine Eroberung. Zu der Bewunderung ihrer Schönheit gesellte sich ein gewisser Respekt, den sich der ehemalige Straßenjunge für die Reichen und vornehmen Adeligen bewahrt hatte. Welcher Triumpf, wenn es ihm gelang, die Aufmerksamkeit jener Frau zu erwecken!
Sein Vertreter, der ein guter Bekannter des Marquis de Moraima war und die ganze Gesellschaft Sevillas kannte, hatte ihm einigemale von Doña Sol erzählt.
Sie war nach mehrjähriger Abwesenheit nach Sevilla zurückgekehrt, wo sie die Begeisterung der Herrenwelt erregte. Nach ihrem langen Aufenthalt in der Fremde kam sie voll Verlangen, die Eigenart ihrer Heimat wieder auf sich wirken zu lassen, nach Sevilla zurück, wo sie die volkstümlichen Gewohnheiten nachahmte, die sie alle interessant und»künstlerisch« fand. Sie ging im Spitzenschal zu den Stiergefechten und kleidete sich in der Tracht jener anmutigen Frauengestalten, welche Goyas Pinsel so meisterhaft festgehalten hat. Kräftig, sportlustig und eine begeisterte Reiterin, durchstreifte sie oft zu Roß die Umgebung Sevillas. Dann trug sie über dem schwarzen Sportrock ein Herrenjackett, um den Hals eine rote Krawatte und einen weißen Hut über der schweren Masse ihres goldroten Haares. Ein andermal ritt sie mit einer Schar Freunde, welche die Tracht der Piqueros (Lanzenwerfer) angelegt hatten, auf die Weiden, um Stiere zu hetzen, ein Vergnügen, das ihr die damit verbundenen Gefahren nur noch steigerten.
Das war keine Mädchennatur. Gallardo erinnerte sich dunkel, sie als Kind auf dem Korso an der Seite ihrer Mutter, in weiße Spitzen gehüllt, wie eine Puppe sitzen gesehen zu haben,
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