Die blutige Arena
Sie wußte, daß sie dem Tode ins Auge schaute, doch wollte sie eher sterben als den Anschein der Furcht oder Lächerlichkeit zu erregen.
Hinter dem Zaune regte sich kein Laut. Die Menge hielt den Atem an, gebannt durch das Schweigen des Schreckens. In schnellstem Galopp und von einer Staubwolke eingehüllt, jagte die Reiterschar einher. Doch mußte die Hilfe zu spät kommen. Der Stier wühlte mit seinen Vorderfüßen den Boden auf und senkte bereits das Haupt, um die tollkühne Gestalt, die ihn mit der Lanze bedrohte, anzugreifen. Ein kurzer Stoß mit seinen Hörnern und sie war verschwunden.Doch im gleichen Augenblick lenkte ein wildes Gebrüll die Wut des Stieres ab und ein roter Schein flog wie eine Feuergarbe an seinen Augen vorbei.
Es war Gallardo, der sich von seinem Pferde geworfen hatte. Er ließ die Wurflanze fallen und griff nach dem Jackett, welches über dem Sattel lag. »Eeh . ... vorwärts, vorwärts.«
Und der Stier lief hinter dem roten Futter der Jacke her, angezogen von diesem Gegner, der seiner würdig war, ohne an seine frühere Angreiferin zu denken, welche ihm in der Verwirrung der Gefahr mit der Lanze unter dem Arm nachlief.
»Keine Furcht, Doña Sol, der gehört mir,« rief der Torero noch ganz bleich vor Erregung, jedoch lächelnd im Gefühle seiner Überlegenheit.
Ohne jede weitere Waffe, nur seine Jacke in den Händen haltend, trat er dem Stiere gegenüber und zog ihn von Doña Sol ab, während er sich mit leichten, anmutigen Sprüngen vor den wütenden Angriffen des gereizten Tieres in Sicherheit brachte.
Die Menge, welche den vorhergehenden Schreck schon vergessen hatte, begann vor Begeisterung Beifall zu klatschen. Was für ein glücklicher Zufall, einem wirklichen Stierkampf mit Gallardo gratis zusehen zu können.
Erregt durch die Wildheit, mit welcher ihn der Stier angriff, vergaß der Torero in wenigen Sekunden Doña Sol und alles andere und richtete seine ganze Aufmerksamkeit nur mehr darauf, den Stößen und Sprüngen des Tieres auszuweichen. Der Bulle drehte sich wütend im Kreise herum, da der Mann immer unverwundbar seinen Hornstößen entschlüpfteund er bei jedem Sprunge das rote Futter des Jacketts vor seinen Augen spürten. Schließlich blieb er mit schäumendem Maule, gesenktem Haupte und zitternden Füßen stehen. Diesen Augenblick der Ermattung benützte Gallardo, den Hut vor dem erschöpften Tiere abzunehmen und damit dessen Hals zu berühren. Ein tosender Beifall erhob sich hinter dem Zaune und grüßte diese Verwegenheit.
Rufe und Schellengeläute ertönte hinter Gallardo und Hirten und Reiter tauchten um den Stier auf, den sie endlich wegbrachten, indem sie ihn langsam zu der Herde trieben.
Gallardo ging zu seinem Pferde, das ruhig stehen geblieben war. Er hob den Spieß auf, stieg in den Sattel und ritt in leichtem Galopp bis an den Zaun, wobei er durch die langsame Gangart seines Pferdes die Genugtuung verlängerte, den lauten Applaus der Menge entgegenzunehmen.
Die Reiter, welche Doña Sol in ihre Mitte genommen hatten, empfingen ihn mit allen Zeichen größter Begeisterung.
Doña Sol stand außerhalb des Zaunes in dem Wagen der Töchter des Marquis. Ihre Cousinen umgaben sie voll Angst, betasteten sie und suchten nach Spuren ihres Falles. Man brachte ihr einige Becher Weins, um den Schreck zu paralysieren, doch sie lächelte überlegen über all diese Beweise weiblicher Fürsorge.
Als sie Gallardo erblickte, der mit seinem Pferde durch die dichtgedrängte Menge kam, vertiefte sie ihr Lächeln.
»Kommen Sie näher, mein Held, reichen Sie mir ihre Hand!«
Und wiederum streckte sie ihm die Rechte entgegen, die er mit langem Druck umschloß.
Am Abend wurde im Hause des Stierkämpfers des langen und breiten über diesen Vorfall gesprochen, der bereits in dem ganzen Bezirke lebhaft erörtert wurde. Frau Angustia war zufrieden wie nach einem großen Stierkampfe. Ihr Sohn hatte einer jener großen Damen, zu denen sie in Erinnerung an die langen Jahre ihrer untergeordneten Stellung noch immer voll Bewunderung aufblickte, das Leben gerettet.
Carmen blieb ruhig, da sie nicht wusste, was sie über diesen Erfolg denken sollte.
Es vergingen mehrere Tage, ohne dass Gallardo von Doña Sol Nachricht hatte. Sein Vertreter weilte außerhalb der Stadt, doch führte ihn eines Abends der Zufall in einem Kaffeehaus der Sierpesstraße, wo Stierkämpfer verkehrten, mit Gallardo zusammen. Er war vor zwei Stunden zurückgekehrt und hatte sich auf einen Brief der Doña Sol
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