Die blutige Arena
Die alten, erfahrenen Bullen folgten ihnen unter dem Geläute der an ihrem Halse hängenden Schellen nach.
Die Reiter blieben einige Zeit unbeweglich, als würden sie unter den erwartungsvollen und ängstlichen Blicken der Zuschauer, welche irgend etwas Außergewöhnliches erwarteten, Rat halten.
Der Marquis eröffnete, begleitet von einem seiner Freunde, das Spiel. Die zwei Reiter galoppierten bis zu den Stieren, vor denen sie ihre Pferde anhielten, während sie ihre Wurflanzen schwangen und laute Schreie ausstießen, um die Tiere wild zu machen. Ein schwarzer Bulle löste sich aus der Gruppe der weidenden Herde los und lief nach rückwärts.
Die zwei Reiter eilten hinter dem Stiere her und verlegten ihm, sich an seiner Seite haltend, den Weg, wenn er zu dem Flusse abweichen wollte. Dann spornte der Marquis seinen Klepper, holte den Stier ein und rannte mit der Lanze auf ihn los. Er bewirkte durch den doppelten Stoß seiner Lanze und des Pferdes, daß der Bulle das Gleichgewicht verlor und auf den Boden hinstürzte, wo er mit seinen Hörnern tiefe Furchen riß.
Die Schnelligkeit und Leichtigkeit, mit der der Marquis dieses gefährliche Spiel ausführte, erweckten einen Orkan von Beifall und Zurufen. Keiner verstand es so, mit den Stieren umzugehen, wie der alte Herr. Es schien fast, als ob sie seine Söhne wären, denn er betreute sie vom ersten Tage an bis zu dem Augenblick wo sie ihn verließen, um in der Arena wie Helden zu fallen.
Andere Reiter wollten nun ihre Geschicklichkeit beweisen, aber der Marquis widersetzte sich ihrem Vorhaben und gab seiner Nichte den Vorzug, da er sie noch vor dem Augenblicke antreten lassen wollte, ehe die Stiere durch das fortwährende Gejage wild geworden waren.
Doña Sol spornte ihr Pferd, das, durch die Gegenwart der Herde erschreckt, ausreißen wollte. Der Marquis schickte sich an, sie auf ihrem Ritt zu begleiten, doch sie widersetztesich und forderte Gallardo auf, da er ein Torero war. Er gehorchte, und ohne ein Wort zu sagen, da er noch immer über seine Ungeschicklichkeit mit sich haderte, gesellte er sich an ihre Seite.
Beide ritten im Galopp auf die Stiere los. Das Pferd der Doña Sol stellte sich mehreremale fast senkrecht auf die Hinterfüße, als weigerte es sich, weiter zu laufen. Doch die starke Hand der Reiterin zwang es immer wieder nach vorwärts.
Sie brauchten nicht lange, um einen Stier von der Herde abzutrennen. Ein starkes weißes Tier mit braunen Flecken, gedrungenem Hals und weit geschwungenen Hörnern lief vor den Reitern her. Hinter ihm galoppierte Doña Sol, gefolgt von dem Torero.
»Achtung,« rief Gallardo, der als alter Stierfechter alle Kniffe der Tiere kannte, »Achtung, daß er sich nicht plötzlich umdreht.« Und so geschah es in der Tat. Als sich Doña Sol anschickte, das Beispiel ihres Onkels nachzuahmen und den Stier mit der Lanze anzugehen, da wendete sich das Tier, als hätte es diese Bewegung geahnt, plötzlich um und stellte sich den Verfolgern mit drohend gesenkten Hörnern entgegen. Das Pferd schoß an dem Stier vorbei, ohne daß es Doña Sol möglich gewesen wäre, den Lauf zu hemmen und nun wurden die Rollen vertauscht, indem der Stier seinerseits die Verfolgung aufnahm. Doch Doña Sol wollte nicht fliehen. Tausende von Personen schauten auf sie, sie fürchtete den Spott ihrer Feindinnen und das Bedauern der Männer. Daher zügelte sie den Lauf ihres Pferdes und stellte sich dem Stiere entgegen. Sie hielt die Lanze wie ein Picador unter demArm und stieß sie in den Hals des Stieres, der mit gesenktem Kopfe brüllend vorwärts stürmte. Der gewaltige Schädel färbte sich unter dem herabströmenden Blute rot, doch das Tier eilte, ohne zu fühlen, dass es seine Wunde vergrößerte, weiter, bis es seine Hörner unter den Leib des Pferdes senkte und es in die Höhe warf, so dass seine Füße den Boden verließen.
Die Reiterin wurde aus dem Sattel geschleudert, während im gleichen Augenblick ein tausendstimmiger Schreckensschrei zu ihr drang. Das Pferd, welches sich von den Hörnern losgemacht hatte, lief mit blutendem Bauche und zerrissenen Zügeln wie von Sinnen herum.
Der Stier schickte sich an, ihm nachzueilen. Doch im gleichen Augenblick wurde seine Aufmerksamkeit von Doña Sol angezogen. Statt unbeweglich auf dem Boden liegen zu bleiben, hatte sie sich aufgerichtet und nach ihrer Lanze gegriffen, um aufs Neue den Stier anzugehen. Es war ein wahnsinniges Unterfangen und mehr mit Rücksicht auf die Zuschauer in Szene gesetzt.
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