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Die blutige Arena

Titel: Die blutige Arena Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Vincente Blasco Ibañez
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bezeichnete. Nun verhielt er sich still, er empfand ein angenehmes Vor-sich-Hinträumen, seineAugen schlossen sich, er fühlte, daß ihn dieses Konzert, wenn es noch länger dauerte, einschläfern würde. Um dem zu entgehen, betrachtete Gallardo das schöne Weib, das ihm den Rücken zukehrte. Was für ein Körper, heilige Mutter Gottes! Seine glühenden Blicke hafteten an dem Nacken, den ein Kranz goldiger, widerspenstiger Locken umspielte. Ein toller Gedanke schoß durch sein Hirn und hielt ihn mit dem Kitzel der Versuchung fest. »Was würde sie tun, wenn ich aufstünde und sie auf den Nacken küßte?«
    Doch gingen die Gedanken nicht über den Wunsch hinaus. Diese Frau flößte ihm eine unüberwindliche Achtung ein. Er erinnerte sich auch der Worte seines Vertreters, mit welcher Arroganz sie sich alle Zudringlichkeiten fern gehalten hatte und wie sie sich auf das Spiel verstand, jeden Mann wie eine Puppe tanzen zu lassen. Er verfolgte die Konturen des weißen Nackens, der wie ein Mond hinter goldenen Wolken durch den Nebel leuchtete, den ihm der Schlaf vor die Augen legten. Er wollte einschlafen und fürchtete, daß ein rauhes Schnarchen diese ihm unverständliche Musik, welche aber gleichwohl etwas Schönes sein mußte, stören würde. Er kniff sich in die Beine, um wach zu bleiben, streckte die Arme aus und bedeckte den Mund mit einer Hand, um das Gähnen zu ersticken.
    Es verging eine lange Zeit und Gallardo war nicht sicher, sie schlafend oder träumend verbracht zu haben. Plötzlich vernahm er die Stimme der Doña Sol. Sie hatte ihre Zigarette bei Seite gelegt und sang leise die Melodien mit, welche sie auf dem Klavier spielte. Der Torero lauschte, um etwas zu verstehen, doch war das Bemühen vergeblich, siesang Lieder in einer fremden Sprache. Zu dumm! Warum nicht einen Tango oder eine lustige Weise? Bei so ernster Musik sollte er wach bleiben!
    Doña Sol legte die Finger auf die Tasten. Während ihre Augen in die Höhe blickten, senkte sich das Haupt nach rückwärts und ihre Brust hob sich beim Atmen. Sie sang Elsas Klage, die Sehnsucht der blonden Frau nach dem fernen Beschützer, der, unbesiegbar für die Männer, süß und furchtsam vor den Frauen war.
    Sie sang nun mit voller Stimme und erfüllte die Worte mit dem Hauche der Leidenschaft, während ihre Augen in rührender Hingebung leuchteten. Der starke und doch so unbeholfener Mann, der Krieger, war diesmal hinter ihr. Er entsprach nicht dem Bilde des anderen, er war rauh und schwerfällig. Doch sah sie mit der Klarheit ihres willensstarken Gedächtnisses die Kühnheit, mit welcher er ihr vor einigen Tagen zu Hilfe gekommen war, die lächelnde Zuversicht, mit der er das wütende Tier hingehalten hatte, genau so, wie andere Helden mit dem Drachen kämpften. Ja, es war »ihr« Krieger.
    Und durchbebt vom Scheitel bis zur Sohle von einer wollüstigen Furcht, sich schon im Voraus für besiegt erklärend glaubte sie, die süße Gefahr zu erraten, welche sich ihrem Nacken näherte. Sie sah den Helden, den Paladin, wie er sich langsam vom Sofa erhob, die leuchtenden Augen auf sie gerichtet. Sie hörte seinen vorsichtigen Schritt, sie fühlte, wie sich seine Hand auf ihre Schultern legte, ein feuriger Kuß als Beweis seiner Leidenschaft ihren Nacken versengte und sie zu seiner Sklavin machte ... Doch siesang zu Ende, ohne daß dergleichen geschah, ohne daß sie auf ihrem Rücken etwas anderes verspürte, als das Schaudern ihres furchtsamen Begehrens.
    Enttäuscht über diese Achtung, ließ sie die Akkorde ausklingen. Ihr Krieger saß in der Sofaecke und versuchte es das vierte Mal, mit einem Zündholz das Feuer seiner Zigarre zu erneuern, wobei er die Lider aufriß, um sich gegen seine Betäubung zu wehren.
    Als Gallardo ihre Augen auf sich gerichtet sah, sprang er auf die Füße. Ah, der letzte Augenblick war gekommen. Der Held war im Begriffe, sich ihr zu nähern, sie mit Leidenschaft zu umschlingen, sie im Sturme wilder Begierde zu bezwingen ...
    »Gute Nacht, Doña Sol. Ich gehe, es ist schon spät, Sie werden sich ausruhen wollen.«
    Unter dem Eindrucke der Überraschung und des Unwillens sprang sie gleichfalls auf, und ohne zu wissen, was sie tat, streckte sie ihm die Hand entgegen. Ungeschickt und einfältig wie ein Held! Blitzschnell übersah sie noch einmal alles, was die Frau nach geschriebenem und ungeschriebenem Gesetze auch in den Augenblicken der größten Hingabe beobachten oder unterlassen mußte. Ihr Wunsch war unerfüllbar ... noch dazu

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