Die Blutige Sonne - 14
Handel begann. Der Mann versuchte nämlich mit allen Mitteln, Kerwin die billigen Schuhe, die er sich ausgesucht hatte, auszureden und ihm die besten und teuersten des Ladens aufzudrängen, so daß nun Kerwin hart zu handeln begann. Voll überzeugender Betrübnis erklärte ihm der Besitzer immer wieder, daß diese armseligen Schuhe des Hohen Herrn nicht würdig seien. Schließlich entschloß sich Kerwin zu einem Paar Reitstiefel und sehr weichen Hausschuhen, wie Kennard und Corus sie trugen. „Was habe ich zu bezahlen?“ fragte er und nahm seine Brieftasche heraus.
Der Mann machte ein empört-beleidigtes Gesicht. „Ihr wart mir gnädig, vai dom“, sagte er. „Ich kann kein Geld annehmen.“ „Aber sieh doch…“
„Ich habe Euch doch gesagt, daß diese armseligen Dinge nicht einmal Eure Aufmerksamkeit verdienen“, meinte er unnachgiebig. „Ich fürchtete, Ihr könntet sie zurückweisen, aber…“
„Zum Teufel“, knurrte Kerwin, „ich habe sie doch gekauft, oder nicht?“ Der Mann sah erschrocken drein und schaute Kerwin prüfend an. „Verzeiht, aber Ihr seid doch der Com’yn Kerwin-Aillard?“
Kerwin erinnerte sich der Darkovaner Sitte, einem Kind den Namen des höhergeborenen Elternteiles zu geben, und bejahte.
„Es ist nicht der Brauch, Bezahlung von einem Com’yn anzunehmen für etwas, das er anzunehmen geruht, Hoher Herr“, antwortete der Mann nachdrücklich und ehrerbietig, aber so, als belehre er ein unvernünftiges Kind.
Endlich gab Kerwin nach, aber er war sehr verlegen. Wie, zum Teufel, sollte er nun die anderen Sachen besorgen, die er noch brauchte? Zwar hatten die Com’yn einen recht guten eigenen Betrieb, aber Kerwin wollte sich keine Vorteile davon verschaffen. Er war daran gewohnt, was er kaufte, zu bezahlen und dafür zu arbeiten.
Er klemmte das Paket unter den Arm und ging die Straße entlang. Es war ganz entschieden erfreulich, durch eine Darkovaner Straße zu gehen und dazu zu gehören.
Das war es, was ich wollte. Und ich habe es bekommen, überlegte er. Er dachte kurz an Johnny Ellers, aber die Jahre im Terranischen Imperium erschienen ihm nun wie ein Traum.
Er hörte seinen Namen, und als er aufsah, erkannte er Auster in Grün und Scharlachrot. „Ich hatte Angst“, erklärte dieser, „du könntest dich hier in der Stadt verlaufen. Ich hatte im Augenblick nichts zu tun, und ich dachte, ich würde dich irgendwo auf dem Markt finden.“
Diese freundliche Geste überraschte Kerwin, denn Auster war aus dem ganzen Kreis im Turm der einzige, der ständig unfreundlich zu ihm war. „Danke“, sagte er, „ich habe mich zwar nicht verlaufen, aber ich wollte ein bißchen Spazierengehen. Nett von dir, daß du dich nach mir umsiehst.“
Auster zuckte die Achseln; plötzlich hatte Jeff eine Idee, so klar, als habe Auster gesprochen: er lügt. Er kam gar nicht, um mich zu treffen. Er sagt das nur, damit ich ihn nicht frage, was er hier zu tun hat.
Er schob den Gedanken beiseite. Vielleicht hatte Auster seine eigenen Geschäfte – was interessieren mich die, vielleicht hat er ein Mädchen hier – und Kerwin war das völlig gleichgültig.
Aber weshalb mußte er mir überhaupt eine Erklärung geben? Sie gingen nebeneinander her über den Marktplatz und auf die langen Schatten des Turmes zu, der jenseits der Stadt lag. „Willst du nicht eine Kleinigkeit trinken, bevor wir nach Hause gehen?“ schlug Auster vor; es klang nicht sehr begeistert. „Nein, danke“, antwortete Kerwin, „man hat mich heute schon genug angestarrt.“
Auster warf ihm einen verständnisvollen, wenn auch nicht gerade freundlichen Blick zu. „Du wirst dich bis zu einem gewissen Grad daran gewöhnen. Je länger du unter deinesgleichen lebst, desto schwerer kannst du Außenseiter ertragen.“
Sie gingen weiter, bis Kerwin einen gellenden Schrei hinter sich hörte. Auster wirbelte herum und versetzte Kerwin einen heftigen Stoß, so daß dieser das Gleichgewicht verlor, rutschte und fiel. Im selben Augenblick pfiff etwas an seinem Ohr vorbei und schlug an die Wand hinter ihm. Steine prasselten herab; sie trafen Kerwins Wange und rissen sie auf.
Er sah sich nach Auster um, der ebenfalls das Gleichgewicht verloren hatte und auf die Knie gefallen war; Auster kam selbst wieder auf die Füße und sah sich vorsichtig um, aber die Menge hatte sich verzogen.
„Was, zum Teufel, war das?“
„Entschuldige bitte, wegen…“, bat Auster steif.
Kerwin unterbrach ihn. „Nicht der Rede wert. Du hast mir eine
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