Die Blutige Sonne - 14
Deportation verlangt. Wenn nun die Terraner verlangten, er solle zurückkommen…
„Mach dir keine Sorgen“, beruhigte ihn Kennard. „Sie haben keine Berechtigung, dich abzuschieben, jetzt nicht. Die Darkovaner Gesetze schreiben vor, daß die Staatsbürgerschaft nach dem Elternteil höheren Ranges geht, und das bedeutet, daß du deinem Blut nach Darkovaner – und Com’yn bist.“ Aber auch er sah besorgt drein. „Aber trage nun endlich Darkovaner Kleidung!“ fügte er ein wenig barsch hinzu.
Kerwin zog die dunklen blaugrauen Kleider an, die er in der Stadt gekauft hatte, und sah nervös in den Spiegel. Wenigstens äußerlich sah er nun wie ein Darkovaner aus, und er rechnete sich auch zu ihnen. Trotzdem hatte er immer noch das Gefühl, es nur auf Probe zu sein. Hatte der Turm von Arilinn wirklich die Macht, den Terranern zu trotzen?
Sie versammelten sich nicht in der Halle, sondern in einem kleineren, offizielleren Raum hoch oben im Turm, der von Prismen an Silberketten strahlend hell erleuchtet war. Die Stühle waren aus reichgeschnitztem altem dunklem Holz, und die Mitte des Zimmers nahm ein niedriger, achteckiger Tisch ein, dessen Platte mit einem siebenzackigen Stern in Perlmutt eingelegt war. Kerwin sah, daß darauf die Namen der Sieben Domänen in der eigenartig verschlungenen Schrift von Carthon eingraviert waren.
Weder Kennard noch Elorie waren anwesend. Er wußte, daß Kennard zum Flugplatz gegangen war, um den Gast zu begrüßen. Kerwin bemerkte, daß einer der Sitze höher war als die anderen, und er vermutete, daß er für den erwarteten Besuch bestimmt war.
Einer der Nichtmenschen zog einen Vorhang zurück.
„Danvan Hastur von Hastur, Regent des Rates, Herr von Thendara und Carcosa“, verkündete Kennard. „Tretet ein, vai dom. Willkommen in Arilinn.“
„Ihr ehrt mich“, antwortete eine volltönende Stimme, und ein Mann betrat den Raum.
Danvan Hastur von Hastur war nicht groß, einfach in einen pelzbesetzten grauen Mantel gekleidet. Sein Haar war an den Schläfen ergraut, das Gesicht scharf gezeichnet. Auf den ersten Blick sah er nur wie ein ruhiger älterer, würdiger und gelehrter Mann aus, aber irgend etwas, vielleicht die aufrechte Haltung, die entschiedene Linie des Mundes, der rasche, befehlsgewohnte Blick seiner grauen Augen ließen den ersten Eindruck gleich falsch erscheinen. Kerwin erkannte sofort, daß er eine ungeheuer kraftvolle Persönlichkeit, ein Mann mit großer Machtfülle war. Er schien den Raum auszufüllen, und seine klangvolle Stimme drang bis in die letzte Ecke, ohne laut zu wirken. „Ihr ehrt mich“, wiederholte er. Er hielt die grauen Augen auf Kerwin gerichtet und trat auf diesen zu; automatisch, respektvoll, stand Kerwin auf.
„Vai dom…“
„Du bist Cleindoris Kind“, sagte er, „und du hast viele Jahre auf Terra gelebt.“ Er sprach die Sprache von Thendra, die Sprache von Kerwins eigener Kinderzeit. „Welchen Namen hat man dir gegeben?“
Jeff nannte seinen Namen, und Hastur nickte nachdenklich. „Aha. Aber vielleicht überlegst du dir, einen Darkovaner Namen, einen aus deiner Familie, anzunehmen. Jeff klingt unnötig barbarisch. Hast du schon daran gedacht?“
Jeff schüttelte den Kopf.
„Nun tu, was du für richtig hältst. Ich wollte dir damit nicht nahelegen, dein Terraner Erbe zu verleugnen. Ich wollte dich kennenlernen und deiner sicher sein. Nicht, daß Kennard mich betrügen würde, selbst wenn er könnte, aber ich wollte mich vergewissern, daß uns die Terraner keinen Betrüger untergeschoben haben. Aber es ist wahr, das sehe ich. Du bist deiner Mutter sehr ähnlich, mein Sohn.“ Er seufzte. „Die Zeiten sind eigenartig. Ich hätte nie geglaubt, daß ich jemals einen Sohn Terras dem Rat empfehlen könnte. Und doch heiße ich dich willkommen.“ Er verbeugte sich, es war eine formelle, anerkennende Verbeugung. „Ich darf doch hoffen, daß du eine Brücke der Verständigung zwischen unseren beiden Welten errichtest, Jeff Kerwin-Aillard.“
„Seltsame Worte für den Regenten des Rates der Com’yn“, bemerkte Auster, und Hastur warf ihm einen scharfen Adlerblick zu. „Ich rechne mit Tatsachen, Auster“, antwortete er. „Ich lebe nicht in Arilinn, isoliert und nur mit Gleichgestellten und meinen Brüdern, sondern in einer Stadt am Rand der Terrazone. Ich mache mir nicht vor, daß wir noch in den alten Zeiten leben.“ Er setzte sich nicht auf den erhöhten, thronähnlichen Sitz, sondern auf einen der anderen leeren
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