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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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Freie … äh … eine Entsagende allein reist. Seid Ihr nicht für gewöhnlich zu zweit, ehrenwerte Dame?«
    »Das stimmt. Aber Not kennt kein Gebot.« Kindra erklärte ihm, daß ihre Gefährtin in Thendara krank geworden sei.
    »Und Ihr seid so weit gereist, um eine Botschaft zu überbringen? Ist sie Eure Bredhis? « Der Junge benutzte das höfliche Wort für die Freipartnerin oder Liebhaberin einer Frau, und da es das höfliche Wort und nicht der Gossenausdruck war, fühlte Kindra sich nicht beleidigt. »Nein, nur eine Kameradin.«
    »Ich … ich hätte es nicht gewagt, zu sprechen, wenn hier zwei von euch gewesen wären …«
    Kindra lachte. »Warum nicht? Selbst zu zweit oder zu dritt sind wir keine Hunde, die Fremde beißen.«
    Der Junge blickte auf seine Stiefel. »Ich habe Grund, Frauen … zu fürchten«, sagte er fast unhörbar. »Aber Ihr kamt mir freundlich vor. Und wie ich annehme, mestra , sucht Ihr immer, wenn Ihr in diese Berge kommt, wo das Leben für die Frauen so schwer ist, nach Ehefrauen und Töchtern, die zu Hause unzufrieden sind, um sie für Eure Gilde anzuwerben?«
    Ich wollte, das könnten wir! dachte Kindra mit all der alten Bitterkeit. Sie schüttelte den Kopf. »Unser Freibrief verbietet es uns. Eine Bedingung darin lautet, daß eine Frau von sich aus zu uns kommen und einen offiziellen Antrag um Aufnahme bei uns stellen muß. Es ist mir nicht einmal erlaubt, Frauen von den Vorteilen der Gilde zu erzählen, wenn sie mich danach fragen. Ich darf ihnen nur die Dinge nennen, denen sie durch Eid entsagen müssen.« Mit schmalen Lippen setzte sie hinzu: »Wenn wir das täten, was Ihr sagt, und unzufriedene Ehefrauen und Töchter ausfindig machten und in die Gilde lockten, würden die Männer kein einziges Gildenhaus in den Domänen stehenlassen, sondern uns überall das Dach über dem Kopf anzünden.« Es war die alte Ungerechtigkeit. Die Frauen von Darkover hatten sich dies Zugeständnis, den Freibrief für die Gilde, errungen, aber er war so mit Einschränkungen gespickt, daß viele Frauen nie eine Gildenschwester zu sehen bekamen oder mit ihr sprechen konnten.
    »Sie werden wohl herausgefunden haben, daß wir keine Huren sind«, sagte Kindra, »und deshalb bestehen sie darauf, wir alle liebten Frauen und seien darauf aus, ihnen ihre Ehefrauen und Töchter zu stehlen. Anscheinend müssen wir entweder das eine oder das andere Schlechte sein.«
    »Dann gibt es bei Euch keine Liebhaberinnen von Frauen?«
    Kindra zuckte die Schultern. »Doch. Ihr müßt wissen, daß es Frauen gibt, die lieber sterben als heiraten würden, und selbst mit allen Beschränkungen und Entsagungen des Eides scheint es die vorzuziehende Alternative zu sein. Aber ich versichere Euch, wir sind nicht alle so. Wir sind freie Frauen – frei, so oder anders zu sein, wie es unser eigener Wille ist.« Nach kurzem Nachdenken setzte sie vorsichtig hinzu: »Und wenn Ihr eine Schwester habt, könnt Ihr ihr das weitersagen.«
    Der junge Mann fuhr zusammen, und Kindra biß sich auf die Lippe. Schon wieder war sie nicht auf der Hut gewesen. Manchmal konnte sie die Gedanken eines anderen so deutlich lesen, daß ihre Gefährtinnen sie beschuldigten, ein wenig von der telepathischen Begabung der höheren Kasten, dem Laran, zu haben. Kindra, die, soviel sie wußte, dem Volk entstammte und weder einen Tropfen edlen Blutes noch telepathische Begabung besaß, schirmte sich für gewöhnlich ab, aber von irgendwoher hatte sie zufällig einen Gedanken aufgefangen, einen bitteren Gedanken: Meine Schwester würde es nicht glauben … Der Gedanke wurde so schnell unterdrückt, daß Kindra sich fragte, ob sie sich das Ganze nicht bloß eingebildet habe.
    Das junge Gesicht auf der anderen Seite des Tisches verzog sich bitter.
    »Es gibt keine mehr, die ich meine Schwester nennen kann.«
    »Das tut mir leid.« Kindra war verwirrt. »Allein zu sein, ist eine traurige Sache. Darf ich nach Eurem Namen fragen?«
    Wieder zögerte der Junge, und Kindra erkannte mit dieser seltsamen Intuition, daß den zusammengepreßten Lippen beinahe der richtige Name entschlüpft wäre. Aber er schluckte ihn hinunter.
    »Brydars Männer nennen mich Marco. Fragt nicht nach meiner Abstammung. Es gibt keinen mehr, der sich mit mir verwandt nennt – dank jenen dreckigen Räubern unter Narbengesicht.« Er spuckte aus. »Was glaubt Ihr, warum ich mich in dieser Gesellschaft befinde? Für die paar Kupferstücke, die die Dorfbewohner bezahlen können? Nein, mestra . Auch ich

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