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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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auf das Unvermeidliche gefaßt. Wenn sie mit zwei oder drei anderen Gildenfrauen zusammen gewesen wäre, hätte sie sich über harmlose Gesellschaft, einen Umtrunk und ein Gespräch über die Gefahren der Straße gefreut. Aber eine einzelne Amazone trank nicht mit Männern in öffentlichen Wirtschaften, und, verdammt nochmal, das wußte Brydar ebenso gut wie sie.
    Einer der älteren Söldner mußte sich mit dem grünen Jungen einen Spaß erlaubt und ihn angestachelt haben, seine Männlichkeit durch einen Annäherungsversuch bei der Amazone zu beweisen, damit er und die anderen über die Abfuhr, die ihm bevorstand, lachen konnten.
    Einer der Männer blickte auf und machte eine Bemerkung, die Kindra nicht verstand. Der Junge knurrte etwas, eine Hand an seinem Dolch. »Paß auf, du …!« Er benutzte ein gemeines Schimpfwort. Dann trat er an Kindras Tisch und sagte mit leiser, heiserer Stimme: »Einen guten Abend wünsche ich Euch, ehrenwerte Meisterin.«
    Verblüfft über die höfliche Phrase, aber immer noch auf der Hut, antwortete Kindra: »Euch ebenfalls, junger Herr.«
    »Darf ich Euch einen Becher Wein anbieten?«
    »Ich habe genug zu trinken gehabt«, sagte Kindra, »aber ich danke Euch für das freundliche Angebot.« Irgend etwas, das nicht ganz stimmte, etwas beinahe Feminines in dem Betragen des Jünglings ließ sie aufhorchen, und dann war auch sein Vorschlag nicht das Übliche. Die meisten Leute wußten, daß Freie Amazonen sich Liebhaber nahmen, wenn sie es wollten, und nur zu oft legten manche Männer das so aus, daß jede Amazone jederzeit zu haben sei. Kindra war erfahren darin, versteckte Annäherungsversuche abzubiegen, ehe es zu einer offenen Frage und Ablehnung kam; bei direkteren Versuchen kam sie ohne viel Höflichkeit aus. Aber das war es nicht, was dieser Junge wollte. Sie merkte es, wenn ein Mann sie mit Begehren ansah, ob er es in Worte kleidete oder nicht. Und obwohl das Gesicht dieses jungen Mannes bestimmt Interesse verriet, war es kein sexuelles Interesse. Was also wollte er von ihr?
    »Darf ich … darf ich mich zu Euch setzen und einen Augenblick mit Euch reden, ehrenwerte Dame?«
    Mit Grobheit wäre sie fertig geworden. Diese übermäßige Höflichkeit war ihr ein Rätsel. Hatten die Söldner einen Weiberfeind damit aufgezogen, er werde niemals den Mut aufbringen, mit ihr zu reden? Gleichmütig erklärte sie: »Dies ist ein öffentliches Lokal; die Stühle gehören mir nicht. Setzt Euch, wenn es Euch beliebt.«
    In großer Verlegenheit nahm der Junge Platz. Er war tatsächlich noch sehr jung. Er hatte noch keinen Bart, aber seine Hände waren hart und schwielig, und auf einer Wange hatte er eine längst verheilte Narbe. Nein, er war doch nicht so jung, wie sie gedacht hatte.
    »Seid Ihr eine Freie Amazone, mestra? « Er benutzte die übliche und ziemlich beleidigende Bezeichnung, aber das nahm sie ihm nicht übel. Viele Leute kannten kein anderes Wort.
    »Das bin ich«, sagte sie, »aber wir wollen lieber sagen: Ich bin vom Eidbund …« – Sie verwendete das Wort Comhi-Letziis – eine Entsagende der Schwesternschaft Freier Frauen.«
    »Darf ich fragen – ohne Anstoß zu erregen –, was der Name ›Entsagende‹ zu bedeuten hat, mestra ?«
    Im Grunde freute sich Kindra über eine Gelegenheit, das zu erklären. »Weil, Sir, wir im Ausgleich zu unserer Freiheit als Frauen der Gilde einen Eid leisten, in dem wir jenen Privilegien entsagen, die wir haben könnten, wenn wir einem Mann angehörten. Wenn wir die Nachteile nicht auf uns nehmen wollen, Eigentum und Vieh zu sein, müssen wir auch den Vorteilen entsagen, die dieser Stand mit sich bringen mag. So kann kein Mann uns vorwerfen, wir versuchten, uns aus beiden Alternativen das Beste zu nehmen.«
    Ernst stellte er fest: »Das scheint mir eine ehrenhafte Haltung zu sein. Ich habe noch nie eine – eine Entsagende kennengelernt. Erzählt mir doch, mestra …« -seine Stimme kiekste plötzlich – »… ich nehme an, Ihr kennt die Verleumdungen, die über euch in Umlauf sind – erzählt mir doch, wie eine Frau den Mut aufbringt, sich der Gilde anzuschließen, wenn sie doch weiß, was über sie gesagt werden wird!«
    »Ich glaube«, erwiderte Kindra ruhig, »für manche Frauen kommt einmal ein Zeitpunkt, wo sie zu der Überzeugung gelangen, daß es Schlimmeres gibt, als Gegenstand öffentlicher Verleumdungen zu sein. So war es bei mir.«
    Darüber dachte er einen Augenblick stirnrunzelnd nach. »Ich habe noch nie gesehen, daß eine

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