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Die blutige Sonne

Die blutige Sonne

Titel: Die blutige Sonne Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Marion Zimmer Bradley
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der Überzahl überwältigt werden, hatte sie gelernt, wie sie die Erfahrung überleben konnte, ohne Schaden zu nehmen. Aber diese Frauen hatten keinen derartigen Unterricht gehabt. Es war ungerecht, ihnen wegen ihrer Angst Vorwürfe zu machen.
    Ich könnte sie es lehren. Aber die Vorschriften unseres Freibriefs verbieten es mir, und ich bin durch meinen Eid gebunden, mich danach zu richten. Und dabei sind diese Gesetze nicht von unsern Gildenmüttern gemacht, sondern von Männern, die sich davor fürchten, was wir ihren Frauen erzählen könnten!
    Nun, vielleicht finden sie wenigstens Genugtuung in dem Gedanken, daß sie ihr Heim gegen Eindringlinge verteidigen können! Kindra setzte ihre eigene drahtige Kraft ein, beim Aufstapeln der Strohballen um die Pferde zu helfen. Die Frauen vergaßen bei der anstrengenden Arbeit ihre Furcht. Nur eine murrte gerade laut genug, daß Kindra es hören konnte: »Für sie ist das alles schön und gut! Sie ist als Kriegerin ausgebildet und an diese Arbeit gewöhnt! Ich bin es nicht!«
    Es war nicht der richtige Zeitpunkt, über die Gildenhaus-Moral zu diskutieren. Kindra fragte nur freundlich: »Bist du stolz darauf, daß du nicht gelernt hast, dich selbst zu verteidigen, Kind?« Aber das Mädchen antwortete nicht. Verdrossen schleppte sie ihren schweren Strohballen weiter.
    Kindra fiel es nicht schwer, ihren Gedanken zu folgen: Wäre dieser Brydar nicht gekommen, könnte jeder Mann in der Stadt jede einzelne seiner eigenen Frauen beschützen! Diese Art des Denkens war es, dachte Kindra verächtlich, die Jahr für Jahr Dörfer in Flammen aufgehen ließ. Denn kein Mann schuldete einem anderen Loyalität oder würde einen anderen Haushalt als seinen eigenen verteidigen. Es hatte einer Bedrohung wie der durch Narbengesicht bedurft, um diese Dorfleute soweit zu organisieren, daß sie sich die Dienste einer Handvoll Söldner erkauften. Und jetzt beklagten sich die Frauen darüber, daß ihre Männer nicht jeder vor seiner eigenen Haustür stehen und die eigene Frau und den eigenen Herd verteidigen konnten!
    Als die Pferde verbarrikadiert waren, drängten sich die Frauen nervös im Hof zusammen. Sogar Janella kam an die Küchentür und hielt Ausschau. Kindra trat an das verrammelte Tor, das Messer locker in seiner Scheide. Die anderen Frauen standen unter dem Dach der Küche. Aber ein junges Mädchen, das gleiche, das Kindra geholfen hatte, das Tor zu schließen, bückte sich, schürzte den Rock resolut bis zu den Knien, ging dann und kam mit einer großen Axt zum Holzhacken wieder. Diese Waffe in der Hand, bezog sie neben Kindra am Tor Posten.
    »Annelys!« rief Janella. »Komm zurück! Komm zu mir!«
    Das Mädchen warf einen verächtlichen Blick auf seine Mutter. »Wenn ein Räuber über die Mauer klettert, wird er weder an mich noch an meine kleine Schwester Hand legen, ohne kaltem Stahl zu begegnen. Es ist kein Schwert, aber ich glaube, selbst in den Händen eines Mädchens würde diese Klinge seine Meinung auf der Stelle ändern!« Sie blickte herausfordernd zu Kindra hin. »Ich schäme mich für euch alle, daß ihr einer einzigen Frau unsere Verteidigung überlaßt! Sogar ein Rabbithorn kämpft für seine Jungen!«
    Kindra grinste das Mädchen kameradschaftlich an. »Wenn du ebensoviel Geschick mit diesem Ding wie Mut hast, kleine Schwester, möchte ich lieber dich hinter mir haben als einen Mann. Fasse die Axt mit beiden Händen dicht nebeneinander, wenn der Zeitpunkt kommt, sie zu benutzen, und versuche nicht, irgendeinen kunstvollen Streich zu tun. Hau einfach fest auf seine Beine, als wolltest du einen Baum fällen. Damit wird er nämlich nicht rechnen, verstehst du?«
    Die Nacht schleppte sich dahin. Die Frauen hockten auf Strohballen und Kisten und lauschten voll Angst und mit gelegentlichem Schluchzen und Weinen auf das Klirren von Schwertern, Schreie und Rufe. Nur Annelys stand entschlossen neben Kindra und hielt ihre Axt umklammert. Nach etwa einer Stunde ließ sich Kindra auf einem Strohballen nieder und sagte: »Du brauchst die Axt nicht so fest zu halten, du wirst dich nur vor einem Angriff ermüden. Lehne sie gegen den Ballen, dann kannst du sie im Notfall sofort ergreifen.«
    Annelys fragte leise: »Wie kommt es, daß Ihr so genau wißt, was zu tun ist? Wie lernen das die Freien Amazonen – ihr nennt euch anders, nicht wahr? Sind alle Gildenfrauen Kämpferinnen und Söldnerinnen?«
    »Nein, nein, nicht einmal viele von uns«, antwortete Kindra. »Es ist nur so, daß

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