Die blutige Sonne
irgendein Fieber hatte, saß sie die ganze Nacht bei mir in der Krankenstation und legte mir kalte Tücher auf die Stirn und sang mir vor. Ihre Stimme war ein tiefer Kontraalt, sehr süß . Und als er elf war, hatte er einem Jungen namens Hjalmar die Nase blutig geschlagen, weil der ihn Bastard genannt hatte. Kerwin hatte gebrüllt, wenigstens wisse er den Namen seines Vaters, sie hatten sich getreten und mit Gossenausdrücken beschimpft, und der grauhaarige Mathematiklehrer hatte sie auseinandergerissen. Und nur ein paar Wochen, bevor man den verängstigten, halb bewußtlosen Jungen an Bord des Sternenschiffs trug, das ihn nach Terra bringen sollte, hatte es ein Mädchen namens Ivy gegeben, eine Klasse höher als er. Er hatte seine Zuteilung an Süßigkeiten für sie gehortet, und sie hatten sich schüchtern bei den Händen gehalten und waren unter den Bäumen dort am äußeren Rand des Spielplatzes entlanggewandert. Und einmal hatte er sie unbeholfen geküßt, aber sie hatte den Kopf weggedreht, so daß er nur einen Mundvoll feinen, hellbraunen, süß duftenden Haars geküßt hatte.
Nein, sie konnten ihm nicht einreden, er sei verrückt. Er erinnerte sich an zu vieles. Er würde zum HQ gehen, wie die Frau ihm geraten hatte, nur nicht in die Abteilung für Medizin und Psychologie, sondern ins Archiv. Dort waren Unterlagen über jeden, der jemals im Dienst des Imperiums gearbeitet hatte. Dort würde er es erfahren.
Der Mann im Archiv reagierte richtig verschreckt, als Kerwin einen Ausdruck verlangte, und Kerwin konnte ihm das eigentlich nicht übelnehmen. Schließlich kam man für gewöhnlich nicht gelaufen und wollte die eigene Akte einsehen, außer man bewarb sich um eine Versetzung. Kerwin suchte nach einer Entschuldigung.
»Ich bin hier geboren. Ich habe nie erfahren, wer meine Mutter war, und es könnten Eintragungen über meine Geburt und meine Abstammung gemacht worden sein …«
Der Mann nahm Kerwins Fingerabdrücke und drückte uninteressiert Knöpfe. Nach einer Weile glitt ein Papierstreifen in den Korb. Kerwin nahm ihn auf und las ihn. Anfangs befriedigte es ihn, daß das offensichtlich eine vollständige Akte war, aber je mehr er las, desto größer wurde sein Unglauben.
KERWIN, JEFFERSON ANDREW, WEISS, MÄNNLICH, STAATSANGEHÖRIGKEIT TERRA. HEIMATANSCHRIFT MOUNT DENVER. SEKTOR Zwei. FAMILIENSTAND ledig. HAARE rot. AUGEN grau. TEINT hell. BISHERIGE POSTEN Alter zwanzig Lehrling CommTerra. LEISTUNG zufriedenstellend. PERSÖNLICHKEIT zurückhaltend. POTENTIAL hoch.
VERSETZUNG Alter 22. Nach bestandener CommTerra-Prüfung Assistent Konsulat Megaera. LEISTUNG ausgezeichnet. PERSÖNLICHKEIT akzeptabel, introvertiert. POTENTIAL sehr hoch. VERGEHEN keine (Nichts über unerwünschte Verbindungen bekannt.) PRIVATLEBEN normal, so weit bekannt. BEFÖRDERUNGEN regelmäßig und schnell.
VERSETZUNG Alter 26. Phi Coronis IV. CommTerra-Kommunikationsfachmann. Gesandtschaft. LEISTUNG ausgezeichnet; Lob für ungewöhnlich gute Arbeit. PERSÖNLICHKEIT introvertiert, aber zweimal verwarnt wegen Schlägereien im Eingeborenenviertel. POTENTIAL sehr hoch, aber angesichts wiederholter Anträge auf Versetzung möglicherweise unstabil. Keine Heiraten. Keine eingetragenen Verbindungen. Keine ansteckenden Krankheiten.
VERSETZUNG Alter 29, Cottman IV, Darkover (aus persönlichen Gründen beantragt, unbestätigt.) Antrag genehmigt, schlage vor, Kerwin nicht wieder zu versetzen, es sei denn, eine Beförderung ist nicht zu umgehen. LEISTUNG noch keine Eintragungen, eine Verwarnung wegen Eindringens in Sperrgebiet. BEURTEILUNG DER PERSÖNLICHKEIT ausgezeichneter und wertvoller Angestellter, aber schwerwiegende Mängel an Persönlichkeit und Stabilität. POTENTIAL ausgezeichnet.
Mehr war nicht da. Kerwin runzelte die Stirn. »Hören Sie, das ist die Akte über meine Dienstjahre. Ich brauche aber Informationen über meine Geburt und dergleichen. Ich bin hier auf Cottman IV geboren.«
»Das ist Ihre ganze Akte, Kerwin. Mehr hat der Computer nicht über Sie.«
»Überhaupt keine Eintragung über meine Geburt?«
Der Mann schüttelte den Kopf. »Wenn Sie außerhalb der Terranischen Zone geboren sind – und Ihre Mutter eine Eingeborene war – nun, dann ist das nicht festgehalten. Ich weiß nicht, was für Geburtenregister die da draußen führen …« – seine Handbewegung deutete auf die fernen Berge – »… aber ganz sicher ist das nicht in unserm Computer. Ich werde es mit dem Geburtenregister versuchen,
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