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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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komme. Callies Tochter stürzt in das Wartezimmer, und direkt hinter ihr erscheint ein verschwitzter, erschöpfter Chirurg in der Tür. Marilyn dreht sich fragend zu ihm um, öffnet den Mund.
    »Alles der Reihe nach«, sagt er mit schwerer, müder Stimme. »Agent Thorne lebt.«
    »Gott sei Dank!«, schreit Elaina auf.
    Ich will vor Erleichterung auf die Knie sinken, doch ich tue es nicht.
    Der Chirurg hebt die Hand, bittet um Ruhe. »Die Kugel hat ihr Herz knapp verfehlt. Und sie ist ganz geblieben. Leider hat sie die Wirbelsäule getroffen, ist von dort abgeprallt und in ihre obere linke Schulter gedrungen.«
    Die Temperatur im Raum scheint bei dem Wort »Wirbelsäule« um dreißig Grad zu sinken.
    »Der Rückenmarksnerv wurde nicht durchtrennt. Doch die Wirbelsäule wurde verletzt. Außerdem hat Agent Thorne große innere Blutungen erlitten.«
    »Was bedeutet das, Doc?«, fragt AD Jones.
    »Es bedeutet, dass Miss Thorne eine Menge Blut verloren und schwere Verletzungen erlitten hat. Ihr Zustand ist noch immer kritisch. Sie scheint stabil, aber sie ist noch nicht über den Berg.« Er zögert, scheint nach einer anderen Formulierung zu suchen. »Das heißt, dass sie immer noch sterben kann.«
    Marilyn stellt die Frage, vor der wir uns alle fürchten. »Und die Verletzung der Wirbelsäule …?«
    »Wenn sie die Krise übersteht, hat sie gute Aussichten, wieder vollständig gesund zu werden. Aber …«, er seufzt, »das können wir natürlich nicht mit hundertprozentiger Sicherheit garantieren. Bei einer derartigen Verletzung besteht immer die Gefahr einer dauerhaften Lähmung.«
    Marilyns Hand fliegt zum Mund. Ihre Augen sind weit vor Entsetzen.
    Ich spreche in die Stille hinein. »Danke, Herr Doktor.«
    Er nickt uns allen müde zu und geht.
    »Oh nein, gütiger Gott, nein …«, stöhnt Marilyn. »Ich habe sie doch gerade erst wiedergefunden. Ich …« Und dann kommen die Tränen.
    Ich gehe zu ihr und drücke sie an mich, als sie anfängt zu weinen. Meine eigenen Augen sind trocken. Ich bin zu sehr damit beschäftigt, mich zu biegen. Immer weiter zu biegen, ohne zu brechen.

KAPITEL 48
    Wir sind wieder im Büro, ein niedergeschlagener Haufen. Elaina und Bonnie sind bei mir zu Hause, seit Alans Heim überfallen worden ist. Marilyn ist im Krankenhaus geblieben, um auf Neuigkeiten über den Zustand ihrer Mutter zu warten. Sie war nicht verstimmt darüber, dass wir gegangen sind.
    »Schnappt ihn!« war alles, was sie sagte.
    James steht am Fenster und sieht nach draußen. Er wagt nicht, mir in die Augen zu sehen.
    Ich will in ein Loch kriechen, mich zusammenrollen und ein Jahr lang schlafen. Doch das kann ich nicht.
    »Weißt du, was bei Stress das Problem ist, James?«, frage ich nachdenklich.
    Er schweigt. Ich warte. »Was?«, fragt er schließlich, ohne den Blick vom Fenster abzuwenden.
    »Stress erzeugt kleine Haarrisse. Sie fangen ganz winzig an und breiten sich aus, und dann werden sie groß, und das Resultat ist, dass irgendwann etwas zerbricht.« Ich spreche vorsichtig, ohne Anklage. »Was willst du, James? Möchtest du, dass ich zerbreche? Möchtest du, dass ich zerbreche und … und gehe?«
    Sein Kopf fährt herum. »Was? Nein. Ich …« Er klingt, als wäre er kurz vor dem Ersticken. »Ich meine nur, mit Callie …« Er ballt die Fäuste, öffnet sie, atmet tief durch. Bringt sich unter Kontrolle. Dann wendet er sich mir zu und sieht mir in die Augen. »Ich habe keine Angst um mich selbst, Smoky. Ich habe Angst um Callie. Verstehst du das?«
    »Selbstverständlich verstehe ich das«, antworte ich leise. »Ich hatte auch Angst um meine Familie. Jeden Tag. Ich hatte Alpträume, dass ihnen etwas zustoßen könnte – genau das, was ihnen schließlich zugestoßen ist.« Ich senke den Kopf. »Matt hat irgendwann mit mir gesprochen, und er hat mir die Wahrheit gesagt. Er sagte, dass ich genau das täte, was ich gerne tue. Und er hatte Recht. Ich hasse es, diese Mistkerle zu jagen, aber ich liebe es, sie zu schnappen. Verstehst du?«
    Er sieht mich noch einen Moment lang an, dann nickt er.
    »Und ich habe sehr häufig und intensiv über genau das nachgedacht, was du mir im Wartezimmer vorgeworfen hast. Lange, bevor du es gesagt hast. Ich habe mir den Kopf darüber zerbrochen, glaub mir. Ist Sands zu mir gekommen, und hat er meine Familie getötet, weil ich ihn im Fernsehen lächerlich gemacht habe? Lange Zeit habe ich geglaubt, die Antwort lautete Ja. Doch später wurde mir bewusst, dass das Unsinn war. Er ist zu mir

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