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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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fragt Alan. »Du hast gesagt, einer von uns – wer soll es machen? Du oder ich?«
    »Du, keine Frage.« Ich muss gar nicht erst darüber nachdenken. Alan ist der Beste, und der Mann in dem Raum hinter dem Spiegel ist der Schlüssel zum Auffinden des echten Jack Junior. Der Schlüssel, all das zu beenden.
    Alan sieht mich lange an, nickt, wendet sich wieder ab und betrachtet Robert Street durch das Glas. Er beobachtet ihn eine ganze Weile, während Barry und ich geduldig warten. Wir wissen, dass Alan uns vollständig ausgeblendet hat, sich vollkommen auf den vor ihm liegenden Raum konzentriert und Robert Street studiert wie ein Jäger seine Beute. Dass er sich darauf vorbereitet, Street wie eine Walnuss zu knacken.
    Wir müssen ihn knacken, aus zwei Gründen. Zum einen haben wir ihn noch nicht, noch nicht wirklich. Die Fingerabdrücke in Annies Apartment lassen sich irgendwie erklären. Ein guter Strafverteidiger könnte argumentieren, dass die Abdrücke dorthin gekommen sind, als er während der vorgeblichen Ungezieferkontrolle das Bett verrückt hat. Was für sich genommen vielleicht ungesetzlich sein mag, aber noch lange nicht bedeuten muss, dass Street der Mörder ist. Wir haben seine DNS, aber wir haben noch keine Resultate. Was, wenn die DNS unter dem Fingernagel von Charlotte Ross von Jack Junior stammt und nicht von Robert Street?
    Doch vor allem müssen wir Street dazu bringen, dass er uns zu Jack Junior führt.
    Alan sieht Barry an. »Kann ich jetzt rein?«
    Barry bringt ihn nach draußen, und kurze Zeit darauf sehe ich Alan das Verhörzimmer betreten. Robert Street blickt zu ihm auf. Neigt den Kopf, mustert Alan. Grinst.
    »Wow«, feixt er. »Ich schätze, Sie spielen den bösen Bullen, richtig?«
    Alan schlendert zum Tisch, der Inbegriff von jemandem, der alle Zeit der Welt hat, und zieht sich einen Stuhl heran, sodass er direkt vor Robert Street Platz nehmen kann. Er strafft seine Krawatte. Lächelt. Ich beobachte ihn und weiß, dass jede Bewegung kalkuliert ist. Nicht nur die Bewegungen, sondern auch die Geschwindigkeit, mit der er sie ausführt. Wie nah er Street dabei kommt. Die Tonlage seiner Stimme, wenn er mit Street spricht. Es ist alles Teil einer Aufführung, und alles zielt nur auf ein Ergebnis ab.
    »Mr. Street, mein Name ist Alan Washington.«
    »Ich weiß, wer Sie sind. Wie geht es Ihrer Frau?«
    Alan lächelt, schüttelt den Kopf, winkt mit dem erhobenen Zeigefinger. »Schlau«, sagt er. »Zu versuchen, mich gleich zu Anfang wütend zu machen und zu verunsichern.«
    Street gähnt in übertriebener Langeweile. »Wo ist diese Fotze Barrett?«, fragt er.
    »Sie wird irgendwo in der Nähe sein«, antwortet Alan. »Sie haben ihr ganz schön eins verpasst in diesem Apartment.«
    Das entlockt Street ein hässliches Grinsen. »Freut mich zu hören.«
    Alan zuckt die Schultern. »Hey, unter uns gesagt – ich würd ihr manchmal selbst gern eins verpassen.«
    Street verengt die Augen. »Tatsächlich?«, fragt er zweifelnd.
    »Ich kann nichts dafür. Ich wurde altmodisch erzogen. Frauen haben ihren festen Platz auf der Welt.« Alan grinst. »Und dieser Platz ist unter mir, nicht über mir, wenn Sie verstehen, was ich meine.« Er kichert. »Verdammt, ich muss meiner Frau auch hin und wieder eins verpassen. Um sicher zu sein, dass sie nicht vergisst, wo sie steht.«
    Jetzt hat er Streets volle Aufmerksamkeit. Der Blick des Monsters ist voller Faszination. Sehnsucht kämpft mit Zweifeln. Er möchte, dass Alan meint, was er sagt, und dieser Wunsch ist stärker als sein Misstrauen.
    Die Tage des Einsatzes von Wasserschläuchen und der Rollenspiele von »guter Bulle, böser Bulle« sind längst vorbei. Heute ist die Befragung und die Führung eines Verhörs eine fundierte Wissenschaft, vielfach erprobt und als erfolgreich befunden. Es ist ein auf Psychologie basierender Tanz, eine gewisse Kunst gemischt mit einer äußerst scharfen Beobachtung. Schritt eins ist stets der gleiche: Stelle eine Verbindung her. Wenn Street gerne Barsche angelt, verwandelt sich Alan von einer Sekunde zur anderen in einen begeisterten Sportangler. Wenn er ein Waffennarr ist, beeindruckt Alan ihn mit seiner Kenntnis von Waffen. Street verletzt gern Frauen. Also tut Alan dies ebenfalls. Und es wird funktionieren – ich habe es an abgebrühten Kriminellen beobachtet. Ich habe es an Polizisten beobachtet, die diese Technik selbst kennen und darin ausgebildet sind. So funktioniert nun mal die menschliche Natur, unwiderstehlich und

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