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Die Blutlinie

Die Blutlinie

Titel: Die Blutlinie Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Cody Mcfadyn
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Callie lacht auf. Ein schmerzvolles Lachen, wie ein Messer, das durch Metall schneidet. »Aber ich schätze, es stimmt, was sie sagen. Man hört niemals auf, Mutter zu sein. Nicht einmal, wenn man sein Kind fortgegeben hat. Sie unterhält eine Porno-Seite. Und sie ist wahrscheinlich tot, weil ich ihre Mutter bin. Ist das Leben nicht zum Kaputtlachen?«
    Ihre Hände am Lenkrad zittern. Ich betrachte erneut das Foto. Dieses Foto war es, das Callie ansah, als ich in dem Café aus der Toilette kam. Callie, grob und respektlos und von atemberaubender Schlagfertigkeit, so voller unzerbrechlicher Zuversicht. Wie oft im Jahr nimmt sie dieses Foto hervor, betrachtet es und spürt diese Traurigkeit, die ich auf ihrem Gesicht gesehen habe?
    Ich blicke aus dem Fenster. Die Hügellandschaft peitscht an uns vorbei, zusammen mit den gelegentlichen Ausfahrtsschildern. Der Tag ist in goldenes Sonnenlicht getaucht, der Himmel wolkenlos und strahlend blau. Es herrscht genau das Wetter, das sich die Leute vorstellen, wenn sie an Kalifornien denken.
    Scheiß auf perfekten Himmel und goldenes Sonnenlicht. Ein Teil von mir will schreien, jetzt sofort. Weil die Realität unaufhörlich weitere Kegel umstößt – Matt, Alexa, Annie, Elaina … und jetzt Callie. Doch statt zu schreien, lege ich all meine Wut in meine nächsten Worte.
    »Hör zu, Callie. Vielleicht ist sie noch nicht tot. Vielleicht wollten die beiden Monster dir nur Angst einflößen.«
    Sie antwortet nicht. Sieht mich für einen Moment an. Ihre Augen sind voller Verzweiflung. Dann tritt sie das Gaspedal noch weiter durch.
     
    Dank Callies Raserei erreichen wir dreißig Minuten, nachdem wir vom Parkplatz des FBI losgefahren sind, Moorpark. Es ist eine kleine, wachsende Stadt in der Nähe von Simi Valley und Thousand Oaks. Hier wohnt eine Mischung aus Mittel- und Oberer Mittelklasse, und wir befinden uns im Zentrum einer Vorstadt. Wir halten vor dem Haus. Es ist zweistöckig und weiß gestrichen mit blauen Verzierungen.
    Alles ist ruhig. Ein Nachbar auf der anderen Seite mäht seinen Rasen. Die Banalität seiner Arbeit wirkt surreal.
    Callie springt aus dem Wagen, die Waffe schussbereit. Eine rothaarige Todesmaschine, angetrieben von Angst um ihr Kind.
    »Scheiße«, murmele ich und steige aus, um ihr zu folgen. Das ist alles verkehrt.
    Ich blicke die Straße entlang, in der Hoffnung, Alan oder James zu sehen, die hinter uns hergefahren sind, doch die vorstädtische Ruhe wird nicht durchbrochen. Ich folge Callie zur Haustür. Der Nachbar, der seinen Rasen gemäht hat, schaltet den Motor aus und weicht mit weit aufgerissenen Augen in Richtung Haus zurück.
    Callie hämmert ohne Zögern gegen die Haustür. »FBI!«, brüllt sie. »Aufmachen, sofort!«
    Stille. Dann hören wir Schritte, die sich der Tür nähern. Ich sehe Callie an. Ihre Augen sind weit aufgerissen, die Nüstern gebläht. Ich sehe, wie sie die Waffe fester packt.
    Hinter der Tür ist eine Stimme zu hören. Weiblich. »Wer ist da?«
    »FBI, Ma’am!«, sagt Callie, den Finger neben dem Abzugbügel gestreckt. »Bitte öffnen Sie die Tür.«
    Ich stelle mir das Zögern auf der anderen Seite vor, kann es förmlich spüren. Dann dreht sich der Knauf, die Tür öffnet sich und …
    … ich starre Callies Tochter ins Gesicht, lebendig, die Augen aufgerissen und ängstlich beim Anblick der Pistolen in unseren Händen.
    Sie hält ein Baby in den Armen.

KAPITEL 27
    Wir sind im Haus. Callie sitzt im Wohnzimmer und hat den Kopf in den Händen. Ich bin in der Küche und telefoniere über mein Handy mit Alan.
    »Nichts«, sage ich. »Er hat Callie nur fertig machen wollen.«
    »James und ich sind ungefähr zehn Minuten von euch entfernt. Sollen wir noch kommen?«
    Ich blicke hinüber ins Wohnzimmer, zu Callie und ihrer Tochter. Die Atmosphäre ist gespannt, angefüllt mit Angst und der Erschöpfung, die einem Adrenalinstoß stets folgt.
    »Nein. Je weniger Leute jetzt hier sind, desto besser. Fahrt zurück ins Büro. Ich melde mich.«
    »Verstanden.«
    Er legt auf. Ich atme tief durch und marschiere in den emotionalen Zyklon. Callies Tochter, die sich Marilyn Gale nennt, läuft aufgeregt auf und ab und tätschelt dem Baby dabei den Rücken. Vermutlich mehr zu ihrer eigenen Beruhigung als zu der des Säuglings.
    Mein Gott, sie sieht aus wie Callie. Das scheint ihr bis jetzt noch überhaupt nicht aufgefallen zu sein. Eine Spur kleiner, eine Spur kräftiger, ein wenig weichere Gesichtszüge. Doch die roten Haare sind

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