Die Blutmafia
in der Situation, die er so lange vor sich gesehen hatte, erfüllte ihn mit einem tiefen, kalten Haß – und der gab ihm Kraft zurück.
Die Eingangsschwelle bestand aus einem einzigen großen Steinblock. Kiefer ließ sich darauf nieder. Engel stand in der Mitte des Raums. Er hatte die Beine gegrätscht, als wolle er losschlagen – aber in dem hellen, wäßrigen Blick stand nichts als Furcht.
»Los, zurück! An die Wand, Herr Engel!«
»Was wollen Sie? – Sagen Sie es endlich!«
Kiefer lächelte – und hatte den Finger am Abzug.
»Sie können sich hinsetzen, wenn Ihnen das lieber ist.«
Stumm schüttelte Engel den Kopf.
»Mir tut das gut, das Sitzen. Und Sie umzulegen, wie Sie das verdienen, schaffe ich auch im Sitzen noch hundertmal. Aber mit Ihnen noch zu reden, das ist wirklich verdammt anstrengend.«
»Wer … wer sind Sie?«
»Tut das was zur Sache? Ich glaube nicht. Nein, überhaupt nicht … Aber bitte: Ich bin nur einer von denen, die dran glauben müssen, damit Sie sich einen schicken Wohnsitz auf Mallorca leisten können, die Yacht auch – diese tolle Yacht – und diese ganz tollen Freundinnen natürlich dazu. Oder das Internat für Ihre Tochter – was weiß ich, was Sie so für Wünsche haben.«
»Hören Sie«, sagte Engel, und zum ersten Mal war ein Schwanken in seiner Stimme, »ist doch alles Blödsinn, was Sie hier anstellen. Alt genug sind Sie ja schließlich, um das zu wissen. Die Polizei ist gleich hier.«
»Ja, nun«, lächelte der Kriminalrat, »die Polizei …«
»Falls Sie Geld brauchen … Das läßt sich sicher …«
»Da Sie von der Polizei reden, Engel … wissen Sie, ich war mal Polizist. In diesem Beruf trifft man auf eine Menge Typen, bei denen man sich fragt, ob sich die ganze Mühe eigentlich lohnt. Rechtsstaat, na schön, eine wunderbare Sache, aber besser wäre es manchmal, man machte gleich ein Ende. Und deshalb …«
Er hustete. Die Übelkeit sandte aus dem Magen unangenehmen Geschmack in seinen Mund. Ruhig, Alter! Du brauchst noch Kraft, ziemlich viel Kraft brauchst du noch, um das hier zu Ende zu bringen.
»Sie sind ja wahnsinnig«, flüsterte Engel.
»Das könnte vielleicht der Wahrheit nahekommen. Vielleicht bin ich wahnsinnig … Nur: Sie sind es, der mich wahnsinnig gemacht hat. Deshalb mal eine Frage, die Frage eines Verrückten: Was kostet Ihre Yacht monatlich an Unterhalt?«
Engel schwieg.
Die Pistole kam hoch. Wie hypnotisiert starrte Engel auf das schwarze Auge der Mündung. Sie war gegen seinen Magen richtete.
»Ich hab' Sie was gefragt.«
»Was weiß ich?« stotterte er. »Ein paar tausend Mark vermutlich.«
»Und was hat es gekostet, Ihr Schloß dort drüben hochzuziehen? Wieviele Millionen?«
»Einige«, erwiderte Engel widerstrebend.
»Na, sehen Sie … Und wieviel Geld haben Sie damals eingespart, als Sie anordneten, daß nur noch jede achte Packung auf HIV getestet werden darf? Jede achte eine Stichprobe, Engel? Hat die Einsparung denn soviel Geld gebracht?«
Nun wurden Engels Augen groß. Seine Hände preßten sich gegen die Steine hinter ihm, als suche er Halt. »Woher wissen Sie …«
»Oh, ich weiß vieles. Ich könnte Ihnen sogar helfen, sich ein bißchen zu erinnern: Pro Test haben Sie neun Mark fünfzig eingespart. Sie haben doch schließlich dieses phantastisch verbesserte Methylenblau-Desaktivierungsverfahren entwickeln lassen – verbessert, weil es damit das billigste am Markt wurde. Stimmt's?«
Engels Unterkiefer bewegte sich. Es sah aus, als begänne er verzweifelt zu kauen.
»Eine korrekte Virenabtötung durch Überhitzung war Ihnen ja wohl zu kostspielig, denn durch Hitze kann man bis zu achtzig Prozent des Rohmaterials verlieren. So was wird teuer.«
»Sie … Sie haben doch keine Ahnung! Selbst das Rote Kreuz hat die Methode eingeführt.«
»Ach ja? Selbst das liebe Rote Kreuz? Natürlich … Nur – die Verfahrenstechnik, die die haben, ist schon ein bißchen aufwendiger, nicht wahr? Aber mag ja sein, daß ich mich täusche …«
Der Schweiß lief Ludwig Kiefer nun in Bächen unter seinem grünen Hut hervor. Er spürte es und wußte, daß auch Engel es beobachtete. Doch die Hand, die die Pistole hielt, war noch immer ruhig – sehr ruhig.
»Wir wollen uns doch nicht um ein paar Mark streiten, Engel. Deshalb sind wir ja nicht hier … Sie haben ja auch schwierige Zeiten mitgemacht, ich weiß … Ewig der Ärger … Nicht mal das Bundesgesundheitsamt, wo man doch seine Freunde wie Herrn Hampel sitzen hat, wollte
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