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Die Blutmafia

Die Blutmafia

Titel: Die Blutmafia Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heinz G. Konsalik
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Gruppe herumsegelte, wie immer im Hosenanzug, wie immer mit Hut, den Kopf suchend nach vorne gestreckt, war niemand anderes als Ingrid Kolb – früher Rias, jetzt WDR. ›Inge-Schnauze‹, hatten sie Ingrid in der Rias-Redaktion genannt …
    Ausgerechnet! Rio drehte suchend den Kopf. Er entdeckte eine mennigefarben gestrichene Tür, lief darauf zu, hoffte, sich noch immer in Sichtdeckung zu befinden, riß die Tür auf – graue Zementstufen. Eine Sicherheitstreppe. Er schob die Tür zu, rannte hinab, blieb dann stehen und wußte nicht, ob er nun heulen oder lachen sollte. Ins Schwitzen jedenfalls war er ganz schön gekommen.
    Und dann überlegte er, was Ludwig Kiefer zu diesem Abgang gesagt hätte. Gar nichts wahrscheinlich, dachte er. Ludwig hätte nur den Kopf geschüttelt.
    Kiefer hatte den Motor nicht gehört, denn um die Klimakühle im Vectra aufrechtzuerhalten, hielt er alle Fenster geschlossen. Er sprach nun kein Wort mehr. Das Mädchen hatte die Hände verschlungen im Schoß liegen und sah geradeaus – sah wie er den Weg hinab. Sie stellte keine Fragen. Er schien für sie nicht zu existieren. Und eigentlich war das gut so.
    Der Motor war nicht zu hören gewesen. Aber die helle Staubwolke, die über die Hügellinie zog, kündigte es an: ein Wagen.
    »Was für ein Auto fährt dein Vater?«
    »Meist einen Nissan«, antwortete sie leise. »Aber heute hat er den Seat genommen.«
    Kiefer nickte und beugte sich nach vorn. Was dort unten um die Biegung kam, war nicht die grüne Schnauze eines Guardia-Civil-Jeeps, wie er in jäher Angst befürchtete, es war ein Personenwagen.
    Erleichtert schloß er die Augen und lehnte sich zurück. Na also …
    Der Wagen kam schnell heran. Gnadenlos scheuchte der Fahrer ihn über Steine und Schlaglöcher. Es war ein Seat. Es war Engel!
    Ludwig Kiefer seufzte. Dann griff er mit der linken Hand in die Tasche. Er holte eine Plastikfessel heraus.
    »Gib mir deine Hände.«
    Er brauchte ihr die Pistole nicht zu zeigen – Irena hielt ihm die Hände entgegen. Er sah, daß sie weinte. Nun war nichts mehr zu machen … Zu spät. Alles zu spät …
    Er legte ihr die Plastikfessel um die Handgelenke, zog den Verschluß zu. Dann stieg er aus, ging um den Wagenkühler herum und öffnete die Beifahrertür.
    »Nun die Beine.«
    Seine Hand berührte die Knöchel, als er ihr die zweite Fessel anlegte. So zart … Kinderknöchel. Sein Herz zog sich zusammen. Was ließ sich schon ändern …
    Mit den gefesselten Füßen wirkte sie noch hilfloser als zuvor. Tränen rannen über ihre Wangen, und sie konnte sie nicht einmal abwischen. Er nahm das Taschentuch und tupfte ihre Haut trocken.
    »Es ist bald vorüber, Kleines. Ich verspreche es dir.«
    Dann schob er ihre Füße in den Wagen zurück und nahm wieder hinter dem Steuerrad Platz.
    Steine prasselten, als der Seat fünf Meter vor dem Kühler des Vectra stoppte. Die Tür flog auf. Engel stand da, die Unterarme abgewinkelt, die Hände geöffnet, als wolle er Kiefer an den Hals springen.
    »Nun lassen wir das mal, Herr Engel. Ich sagte es Ihnen ja schon vorhin: Versuchen wir uns so vernünftig wie möglich zu verhalten. In dieser Situation ist das vielleicht nicht so einfach, das verstehe ich, aber schließlich … wir sind erwachsene Männer.«
    »Was ist mit Irena?«
    »Das sehen Sie doch selbst, Herr Engel: Sie sitzt im Wagen. Wenn Sie hier eine Szene machen, ängstigen Sie sie nur noch mehr.«
    »Ich mache keine Szene, Herrgott noch mal. Und was heißt denn ängstigen? Wer ängstigt hier wen? – Was wollen Sie? Ich hab' Sie das schon mal gefragt.«
    »Das werden Sie gleich erfahren. Kommen Sie.«
    »Wohin?«
    »Da rüber. In die Hütte. Kommen Sie schon!«
    Es war das erste Mal, daß er den Lauf der ›Walter‹ auf Engel richtete, und es war eine kurze, entschlossene Bewegung. Die dunklen Augen unter dem grünen, zerknautschten Hütchen waren sehr schmal geworden.
    Engel nickte und setzte sich in Bewegung. Ludwig Kiefer ließ ihn an sich vorbeigehen und folgte ihm.
    »Gehen Sie ruhig rein, Engel«, forderte er. »Bloß keine Angst. Da drinnen gibt's nichts als ein paar Brennesseln.«
    Wieder machte die ›Walter‹ eine kurze, herrische Bewegung.
    Engel warf ihm einen haßerfüllten Blick zu und trat durch die steinerne Umfassung, Kiefer aber blieb stehen. Er fühlte Schwäche in sich aufsteigen, vernahm in den Ohren einen feinen, sich rasch verstärkenden singenden Ton. Doch die Vorstellung, schlapp zu machen, ausgerechnet jetzt, ausgerechnet

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