Die Blutnacht: Roman (German Edition)
besonderen Groll gegen die Hugenotten.«
»Gut«, sagte Retz. »Ich auch nicht.«
Die Fenster von Retz’ Kutsche waren mit Musselingardinen verhängt. Beutel mit Lavendel und parfümierte Kissen sorgten dafür, dass Tannhäuser frei atmen konnte. Er war kaum je in einer Kutsche gefahren, denn er hielt das für unbequem und weibisch, aber in Paris war dies wohl eine zivilisierte Fortbewegungsart. Der Kutscher knallte mit der Peitsche und brüllte das Gesindel auf der Straße an.Guzman fuhr hinten am Wagen auf einer Plattform mit. Grégoire rannte hinter der Kutsche her. Tannhäuser wartete ab, was der Preis für diese Kutschfahrt sein würde.
»Wir sind nicht lange unterwegs, also will ich mich kurz fassen«, sagte Retz. »In der Stadt halten sich augenblicklich etwa zweihundert Hugenotten auf, die hochrangigsten Männer dieser Bewegung und dazu ihre Bediensteten. Sie sind in den alten Appartements des Louvre und in verschiedenen in der Nähe gelegenen Hôtels Particuliers 2 untergebracht.«
Er äußerte dies mit der Gewissheit eines Mannes, der eine Liste besaß.
»Nach dem Attentat auf Admiral Coligny schreien diese Adeligen nun nach Gerechtigkeit. Manche haben sogar Königin Catherine bedroht. Unser junger König ist von zartem Temperament, und er hält große Stücke auf den Admiral. Seine Majestät ist erzürnt, dass Unbekannte auf seinen Ehrengast geschossen haben, während Seine Majestät Tennis spielte. Er hat seinen Schläger voll Zorn fortgeworfen und am Bett Colignys voller Schmerz und Scham geweint. Er hat der Bevölkerung von Paris verboten, zu den Waffen zu greifen. Er hat alle Katholiken auf den Straßen um das Hôtel de Béthizy entfernen lassen, damit der Admiral nur von seinen eigenen Leuten umgeben ist. Er hat geschworen, dieses Verbrechen zu rächen oder sein Seelenheil zu verwirken. Heute Morgen ist eine gerichtliche Untersuchungskommission, die sich auf Beharren des Königs aus Sympathisanten der Hugenotten zusammensetzt, zu dem – allerdings unbewiesenen – Schluss gelangt, dass Henri Duc de Guise hinter dem Anschlag steckt.«
Er hielt inne und musterte Tannhäuser.
Ein von Coligny gedungener Mörder hatte vor beinahe einem Jahrzehnt Guises Vater umgebracht. Wie der König, der ihn hasste, war Guise zweiundzwanzig Jahre alt. Manche glaubten, er erhebe einen Anspruch auf den Thron, der auf seiner Abstammung von Ludwig dem Heiligen beruhte. Militante Katholiken und die Bürger von Paris verehrten ihn.
»Wenn Guise damit seinen Vater rächen wollte«, sagte Tannhäuser, »hat er mehr Geduld als ich.«
»Unerfüllte Rache ist aber ein starkes Elixier. Jeden Tag ein wenig daran nippen, und das Leben hat eine Bedeutung, einen Zweck.«
»Die wahre Identität der Hintermänner bei diesem Anschlag ist unwesentlich. Die Hugenotten werden sich einreden, dass der Plan schon vor langer Zeit geschmiedet wurde – von der Königin, dem König, den Guises, dem Papst und wessen Namen sie sonst noch anschwärzen wollen.«
»Würdet Ihr argwöhnen, dass Catherine hinter dem Attentat steckt?«, fragte Retz.
»Es ginge gegen die Absicht ihrer Politik.«
Die Befriedigung, mit der Retz auf diese Antwort reagierte, ließ Tannhäuser argwöhnen, dass er und die meisten anderen genauso in die Irre geführt worden waren, wie die Königin es beabsichtigt hatte.
»Angenommen, wir geben der feinfühligen Natur des Königs nach«, fuhr Retz fort. »Was dann?«
»Das hängt von Coligny ab.«
»Coligny wird sich gebärden wie der auferstandene Christus und noch mehr Macht an sich reißen. Deswegen ist er in der Stadt geblieben, anstatt fortzugehen, wie es ihm seine Gefolgsleute vehement raten. Was uns zum Kern der Sache bringt. Coligny drängt den König, in den Niederlanden gegen die Spanier Krieg zu führen. Er glaubt, dass dies die französischen Katholiken und Protestanten unter einem Banner vereinen würde.«
»Das kann ein Mann, der bei Verstand ist, doch kaum glauben.«
»Er behauptet, dass der Krieg der Preis für seine Zustimmung zu dieser Heirat war.«
»Colignys Zustimmung war für diese Heirat erforderlich? Und man lässt ihn das offen verkünden?«
Retz reagierte nicht auf diese Kritik an der Politik der Krone.
»Vor einem Monat ist eine Hugenottenarmee in Flandern eingefallen. Alva hat sie bei Mons vernichtend geschlagen. Man fand bei Genlis, dem Anführer dieses katastrophalen Unternehmens, einen Brief des Königs, in dem Seine Majestät den niederländischen Rebellen seine Unterstützung
Weitere Kostenlose Bücher