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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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gar nicht.
    »Ich würde sie alle umbringen«, sagte er.
    »Den gesamten protestantischen Adel?«
    »Nur ihre Größen.«
    »Eine radikale Lösung. Könnt Ihr sie erläutern?«
    »Ich bezweifle, dass ich der Erste bin, der diese Strategie vorschlägt.«
    »Mich interessieren die Einzelheiten.«
    »Enthauptet die Oberbefehlshaber, und dann ist der nächste Krieg ein kleinerer. Wenn das Spiel mit einem Mindestmaß an politischem Geschick gemacht wird – eine verräterische Verschwörung, von einem weisen und großherzigen König mit Entschiedenheit niedergeschlagen, Steuern werden gesenkt, silberne Äpfel fallen von den Bäumen und so weiter und so fort –, dann gibt es vielleicht gar keinen Krieg.«
    »Ihr sprecht Euch für die Ermordung von vierzig Adeligen – und ihrer Wachen und Bediensteten – aus, die Gäste im Palast des Königs sind und sich unter seinem Schutz befinden.« Die Stimme von Retz klang ruhig, als sei er mit dem Plan vertraut. »Von Männern aus den ältesten Familien Frankreichs.«
    »Ihr wollt, dass ich Euch weitere Argumente für diesen Plan liefere.«
    »Habt Ihr einen guten Grund, mir keine weiteren zu geben?«
    »Die ältesten Familien Frankreichs, das ist beinahe gleichbedeutend mit den ältesten Verbrechern im Land.«
    »Seine Majestät zählt einige von ihnen zu seinen liebsten Freunden.«
    »Ein König, der zum Wohl seines Volkes nicht seine liebsten Freunde umbringen kann, ist überhaupt kein König«, sagte Tannhäuser.»Suleiman hat seine eigenen Söhne erwürgt, um den Frieden zu bewahren. Er hat die Falschen erwürgt, aber das ist eine andere Geschichte.«
    »Ich kann kein Argument vorbringen, in dem Seine Majestät im Vergleich mit einem Türken schlecht abschneidet.«
    Tannhäuser wollte nur noch aus der Kutsche steigen. Aber er blieb sitzen und sprach weiter.
    »Seine Majestät muss brutale Macht demonstrieren. Wenn es einmal so weit gekommen ist, ist Blut die einzige Währung, die solche Macht kauft. Colignys Blut allein reicht jetzt nicht mehr, denn das ist nun das Blut eines Märtyrers. Wenn es aber mit dem seiner Mitverschwörer verdünnt wird und wenn man es vergießt, während man einen Anschlag auf den Thron vereitelt – und Coligny versucht ja eigentlich, die Macht an sich zu reißen –, dann wird aus dem Märtyrer wieder der Verräter, der er in Wirklichkeit immer war. Vermeidet sorgfältig jede weitere Unterdrückung der protestantischen Religion – dann fügt sich der Rest des hugenottischen Adels. In England hat es funktioniert. Und je mehr enge Freunde er umbringt, desto besser. Er sollte gleichzeitig alle Hochburgen der Protestanten einnehmen, insbesondere La Rochelle, vorzugsweise, indem er selbst vor die Tore reitet und die Schlüssel zur Stadt fordert. Hätte er den Mut dazu, so bezweifle ich, dass die Gegenseite den Mut hätte, auf ihn zu schießen.«
    Tannhäuser erwartete nicht, dass sein letzter Rat ernstgenommen würde, und damit hatte er recht.
    »Das Blut des Märtyrers verdünnen.« Retz genoss diesen Satz sichtlich. »Der König wird sagen, das sei Unrecht.«
    »Hat der König gesehen, in welchem Zustand sein Reich ist?«
    Retz antwortete nicht.
    »Ich bin eben vom Dock in Marseille quer durchs Land geritten. Es sollte ein Paradies sein. Stattdessen ist es eine Wüstenei. Es ist eine Schande für seine Hüter. Aber ich bin noch nicht fertig.«
    Retz gab ihm mit einem Nicken zu verstehen, er solle weitersprechen.
    »Ein starker König würde weiter gehen, nicht nur die protestantische Elite ausmerzen. Ein solcher König würde auch Guise und ein Dutzend weitere katholische Ränkeschmiede verhaften lassenund auch ihre Köpfe rollen lassen. Er würde seinen Palast von all den Müßiggängern und dem Lotterleben befreien und wie ein echter Mann leben. Mit der Furcht und dem Respekt, die er sich so erwirkt, könnte er die Gefahr eines Bürgerkrieges bannen. Und sollten irgendwann seine Untertanen den Wunsch verspüren, aus Lehm geformte Götzenbilder zu verehren, dann könnte er das mit Gleichmut zulassen, denn niemand würde es wagen, den Frieden zu brechen.«
    »Ihr würdet viel Blut vergießen.«
    »Hunderttausende sind in diesen Kriegen gestorben, nur um die Eitelkeit von Männern wie Coligny zu befriedigen. Der König hat keine Tränen des Kummers und der Scham um sie geweint. Er hat Tennis gespielt.«
    Tannhäuser lehnte sich in die parfümierten Kissen zurück. Die Kutsche war zu klein für ihn. Er glaubte, die Wände würden bersten, wenn er so

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