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Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Die Blutnacht: Roman (German Edition)

Titel: Die Blutnacht: Roman (German Edition) Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Tim Willocks
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Stühle, die für Audienzen beim Papst vorgesehen waren. Nun drehte er sich um und sah einen kleinen eitlen Kerl an einem Tisch in der Nähe sitzen. Der Mann trug – jedenfalls für den Blinden Pfeifer – viel zu teure Kleider aus grünem Samt. Er hatte sich um beide Arme weiße Armbinden gewunden, und zu allem Überfluss noch ein weißes Kreuz an den Hut geheftet. Er betrachtete Grymonde mit unverhohlenem Abscheu und einem gewissen Hohn.
    »Noch ein Mathematiker.« Pauls matte Augen wandten sich dem Besucher zu. »Und noch dazu ein Lauscher. Ich hab gesagt, Monsieur, ich höre Euch an, wann es mir passt.«
    Der Besucher machte den Mund auf, um sich zu beklagen, schloss ihn aber wieder. Er wandte sich seinem Wein zu und spielte mit ein paar Münzen auf dem Tisch.
    »Sieht aus, als würdet Ihr schon Scheiße einpacken, und zwar in kleine grüne Säcke«, meinte Grymonde. »Die einzige Zahl, die mich interessiert, ist zwanzig in Gold.«
    Paul streckte die Hand aus, und Maurice legte eine Börse hinein.
    »Ich hatte dich früher erwartet.«
    »Viel los heute, Paul.«
    »Hab schon gehört, dass es lebhaft zugegangen ist.«
    »Ihr hättet diese Burschen bitten sollen, eine Wand einzureißen und Euch rauszutragen, damit ihr zuschauen könnt.«
    Paul lachte und warf ihm die Börse zu. Die Münzen klirrten in Grymondes Faust.
    »Was ist mit der zweiten Frau?«, fragte Paul.
    »Ihr meint die dritte. Sie ist in einer Grube hinter Saint-Martin. Wir haben auch ein kleines Mädchen mitgenommen. Sagen wir mal, wir haben sie adoptiert, aus einer Laune heraus, oder auf Gottes Befehl, es ist mir egal, aber sie bleibt bei uns.«
    »Ihr seid dafür bezahlt worden, dass ihr ein Exempel statuiert.«
    »Das Exempel, das wir hinterlassen haben, hätte jeden zum Kotzen gebracht.«
    »Es war ein ganz präziser Auftrag, Grymonde. Zwei ganz bestimmte Frauen wurden erwähnt.«
    »Ihr habt gesagt, wir sollten sie alle töten, und wir haben alle getötet, bis auf das Mädchen. Und woher sollten wir wissen, welche ganz bestimmten Frauen es waren?«
    Grymonde merkte, dass dies eine schwache Ausrede war. Er redete weiter.
    »Meine Jungs mussten auch ihren Spaß kriegen, und die Zeit drängte. Der Türke da war ein furchtbarer Gegner, das hattet Ihr versäumt, uns mitzuteilen. Wir haben sechs Leute verloren, und das war knapp. Also keine Entschuldigungen von uns. Wenn ihr die Leiche der Dame aus dem Süden sehen wollt, dann zeige ich Maurice, wo er sie finden kann. Er kann sie aus der Grube fischen und hierher zurückschleifen.«
    Maurice trat entsetzt von einem Bein aufs andere. Paul musterte Grymonde lange.
    »Ich kann es mir nicht leisten, es mit Euch zu verderben, Paul«, sagte Grymonde. »Ich zahle fünf Écus d’or zurück, aber mehr nicht. Damit könnt Ihr diesen kleinen grünen Scheißer dafür bezahlen, dass er die Leiche holen geht.«
    »Es ist nicht mein Geld«, sagte Paul. »Die, die es ausgegeben haben, werden nicht bekommen, was sie wollten.«
    »Und wer sagt es ihnen? Hölle und Teufel, heute zählt doch keiner die Leichen. Ihr könntet höchstpersönlich nackt durch die Straßen tanzen, und niemand würde es merken.«
    »Du hast recht. Ich kann es mir auch nicht leisten, es mir mit dem mächtigen Infanten zu verderben. Wenn wir zwei gehängt werden,läuft die größte Menschenmenge zusammen, die die Place de Grève je gesehen hat. Dazu dürfen wir sie nicht bringen.«
    Paul lächelte, und Grymonde grinste. Er hatte das Gefühl, sich gut geschlagen zu haben.
    »Ich habe ein paar Neuigkeiten, die Euch vielleicht munden«, meinte Grymonde. »Zumindest für mich sind sie ganz frisch.«
    »Frische, saftige Neuigkeiten sind mein Geschäft.«
    »Das Châtelet hat Ketzer von den Märkten weggeführt, und sie kommen nicht zurück. Die Häuser werden wohl versteigert, aber der Inhalt ist heute Nacht zu haben. Rody ist der Wachmann.«
    »Lecker genug. Aber hast du keinen Appetit?«
    »Wir haben unsere Karren heute schon zweimal gefüllt. Und Mutter kränkelt.«
    »Trau keinem Mann, der sich nicht gut um seine Mutter kümmert.«
    »Noch eine Kleinigkeit. Rody sagt, das Châtelet sucht einen Johanniter. Ich habe den Namen vergessen. Mattias. Irgendwas Deutsches.«
    Paul musterte ihn erneut und sagte dann: »Die Sache haben wir im Griff.«
    Grymonde war auf einmal nicht mehr so selbstsicher. Da lag die Information vor seinen Füßen, aber er wusste nicht, wie er sie aufheben sollte. Bloß nicht zu schlau erscheinen. Sein Bauch sagte ihm, er

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