Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Menschenblut geschützt. Grégoire spreizte fünf Finger. Tannhäuser nickte.
Grégoire lauschte. »Wer ist das?«
»La Fosse, der Gott für unsere Errettung dankt.«
Tannhäuser erinnerte sich an den Sarg.
Verzweiflung verdüsterte den Nachglanz des Kampfes.
»Hol Clementine. Und zieh diese Leiche in die Kapelle.«
Tannhäuser zerrte Schmidt in die Vorhalle. Er durchsuchte alle drei Männer und fand zwölf Écus d’or und ein paar Silbermünzen. Eine Dublone pro Mann.
Er ging zu der Leiche im Korridor und fand noch vier Écus . La Fosse zitterte und murmelte, als hätte er den Verstand verloren. Um den Allmächtigen von seinem Wert zu überzeugen, schien er sich mit dem Schächer zu vergleichen, der neben Jesus gekreuzigt wurde.
»Der gute Schächer hat sich im Paradies zu Christus gesellt, nicht der gute Kinderschänder«, sagte Tannhäuser.
Er durchsuchte den Priester und bekam die beiden Doppelpistolen zurück, die er ihm gegeben hatte. Er drückte die Hände des Priesters an die Tür und zog den Dolch heraus. La Fosse stöhnte und sackte zu Boden. Es erübrigte sich, ihm zu sagen, dass er sich nicht bewegen sollte.
Tannhäuser zerrte den vierten Leichnam zu den anderen in die Kapelle. Grégoire tauchte völlig durchnässt auf. Er hatte in Munts Börse eine Bogensehne gefunden, an der zu beiden Seiten kurze Eisenstangen als Griffe befestigt waren. Er hatte Munts Füße mit dieser tödlichen Schlinge umwickelt und einen Teil von Clementines Schwanz um das andere Ende geschlungen. So hatte er dem Pferd den größten Teil der Arbeit überlassen. Er zeigte Tannhäuser vier Écus .
»Zumindest machen wir einen Gewinn«, sagte Tannhäuser.
»Das gehört Euch auch.«
Grégoire gab ihm noch eine Handvoll kleiner Münzen, zumeist Kupfer.
»Ich habe die Schuhe verkauft. Ich hoffe, es ist genug.«
Die Summe war ein kleiner Teil dessen, was Tannhäuser am Tag zuvor bezahlt hatte.
»Du hast hart verhandelt. Gut gemacht.«
Grégoire nickte.
»Und ich muss dich für deine Ehrlichkeit loben.«
»Ich bin kein Dieb mehr.«
»Das Talent werden wir aber vielleicht noch brauchen, doch es ist recht, dass du deine Kameraden nicht bestiehlst.« Tannhäuser deutete mit dem Kopf auf die Straße. »Hol die Armbrüste. Nimm alle Bolzen heraus und ziehe den Auslöser, ehe du sie aufhebst. Pass auf deine Finger auf.«
Tannhäuser legte Munt neben seine vier Komplizen. Ihr Blut bildete große Lachen auf dem Boden der Vorhalle, und sie starrten mit offenen Mündern und Augen zum Himmel, als hätte sie ein boshafter Gott bei einem merkwürdigen Strafritual niedergestreckt. Er überlegte, ob er sie nicht enthaupten und ihre Köpfe als Zeichen für Marcel auf dem Altar zur Schau stellen sollte. Es war ja nicht schlecht, wenn einen die Feinde für wahnsinnig hielten. Doch bisher hatte er Carlas sterbliche Überreste nicht entweiht, denn er hatte die Schurken außerhalb der eigentlichen Kirche getötet, und so sollte es bleiben.
Er schaute auf den Sarg. Schuldgefühle und Schmerz mischten sich in seinen Eingeweiden.
Er suchte verzweifelt nach weiterer Ablenkung.
In der Ecke hinter einer Tür fand er eine Ledertasche. Sie enthielt ein Seil, ein Paar Fußeisen, einige Knüppel, weitere Bolzen, einen halben Laib Brot und eine Ecke Käse. Er stellte die Knüppel und die Fußeisen zur Seite. Grégoire kehrte zurück, und sie untersuchten die fünf Armbrüste. Sie waren alle gut gepflegt und justiert. Und sie waren klein und ließen sich von Hand spannen, wenn man einen kräftigen Rücken und starke Arme hatte. Eine war aus Stahl undmit Elfenbein und Silber verziert. Das Zuggewicht der Waffen war doppelt so hoch wie das von Frogiers Bogen.
»Wenn du nicht in einem Stall aufgewachsen bist, wo dann?«
»Hier in der Ville«, antwortete Grégoire. »In Les Halles.«
Wer immer Grégoire aus der Krippe in Notre-Dame adoptiert hatte, war nicht von Nächstenliebe geleitet worden, sondern wollte ihn in einer Bettlerbande einsetzen. Von einem gewissen Alter an war dann sein Gesicht wohl so abstoßend geworden, dass ihm die Leute ihre Almosen eher aus Abscheu als aus Mitleid gaben. Danach hatten ihn Beutelschneider und Taschendiebe als Ablenkung benutzt. Er musste Seife kauen und Anfälle mit Schaum vor dem Mund vortäuschen. Er schlich hinter reichen Männern her zu deren Häusern, um für Diebe Informationen zu besorgen. Er hatte mit angesehen, wie man seine Kumpane auf der Place de Grève aufhängte und ihnen die Eingeweide
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