Die Blutnacht: Roman (German Edition)
Lederwams und dazu passende Beinkleider trug. Seine attraktiven Züge wurden von einer gerüschten Halskrause noch hervorgehoben. Er schaute über den Kopf des anderen hinweg, und seine Augen blieben ein wenig zu plötzlich bei Tannhäuser hängen. Erneut hatte der das Gefühl, von einem Fremden erkannt zu werden, den er noch nie getroffen hatte.
»Zumindest Dominic Le Tellier haben wir gefunden«, sagte Arnauld.
Dominic nickte ihnen zu, und der zweite Mann schaute über die Schulter. Tannhäusers Unbehagen wuchs. Es war das Wiesel aus der Grande Halle . Schrecken zeichnete sich in dessen Augen ab. Wie auf dem Markt wandte er sich abrupt ab.
»Und da ist auch Petit Christian«, sagte Arnauld. »Soll ich Euch vorstellen?«
Tannhäuser musterte Arnauld. Nichts an dessen Miene deutete auf ein falsches Spiel hin.
»Nein. Wenn alles gutgeht, werden sich unsere Pfade nicht noch einmal kreuzen. Aber ich werde Eure Großzügigkeit nicht vergessen.«
»Dann hört meinen Rat. Stellt Euch ein Nest vor, in dem eine Familie bösartiger und überfütterter Ratten zu Hause ist, die einander alle insgeheim aus tiefster Seele hassen. Stellt Euch weiter vor, dass das Nest in ein Netz aus feinsten Lügengeweben eingesponnen ist und dass darin giftige Spinnen herumhuschen, die beinahe so groß sind wie die Ratten. Schließlich stellt Euch vor, dass sich dieses Netz in einer Grube voller Schlangen und giftiger Kröten befindet.«
»Alle Zutaten für ein Gemälde, das den König von Spanien sehr erfreuen würde.«
»Ich würde nicht scherzen, denn ein solches Nest in einem solchen Netz in einer solchen Schlangengrube, da befinden wir uns jetzt. Auf ein Gerücht hin oder aus einer Laune heraus brechen Menschen die Treue. Alte Freundschaften werden für nie eingelöste Versprechen aufgekündigt. Selbst ein ehrlicher Mann, und von denen gibt es ohnehin nur wenige, legt sich als Anhänger einer Parteizu Bett und wacht als Unterstützer einer anderen auf, weil sein Herr über Nacht die Seiten gewechselt hat. Kurz gesagt: Geht fort, so bald Ihr könnt.«
»Ich plane, diese Stadt bei Sonnenaufgang zu verlassen, wenn nicht vorher.«
»Gut.« Arnauld verneigte sich. »Gott mit Euch.«
»Nehmt Euch beim Überqueren des Innenhofs in Acht.«
Arnauld lächelte. Er wandte sich um und ging zum Tor.
Tannhäuser deutete auf Christian Picart.
»Grégoire, sieh dir den Kerl an, der mit dem Hauptmann redet. Er hält seine Arme wie ein Affe.«
Grégoire nickte.
»Hast du den schon irgendwo gesehen?«
Grégoire nickte wieder.
»Wo?«
»Auf der anderen Straßenseite, gegenüber vom Roten Ochsen. Beim Tor des Collège.«
»Gut. War das vor oder nach unserem Essen?«
»Kurz danach, als die Mädchen uns zu ihrem Laden führten.«
»Gut gemacht. Geh und stell dich an die Tür. Wenn der junge Arnauld beim Überqueren des Innenhofs Schwierigkeiten bekommt, komm her und sag mir Bescheid.«
Tannhäuser ging zu Dominic hinüber und sagte ohne jeden Gruß: »Ich muss mit diesem Mann hier, mit Petit Christian reden.«
Dominic schluckte Tannhäusers Unhöflichkeit ohne Widerrede.
»Wie Ihr wünscht.« Er verschwand.
Christian wandte sich mit einem verlogenen Lächeln zu Tannhäuser, als sähe er ihn zum ersten Mal.
»Christian Picart, zu Euren Diensten, mein Herr.«
»Mattias Tannhäuser, Comte de la Penautier. Ich habe mir sagen lassen, dass Ihr mir mitteilen könnt, wo meine Frau, Lady Carla, untergebracht ist.«
»Lady Carla ist Gast von Symonne d’Aubray.«
»Ich wäre dankbar für eine Wegbeschreibung.«
»Ich kann Euch selbst dort hinbringen, Sire, wenn Ihr eine kleine Weile warten wollt.«
»Wer ist Symonne d’Aubray?«
»Die Witwe von Roger d’Aubray«, antwortete Christian.
»Ich kenne weder die Witwe noch ihren Ehemann.«
»Roger war Kaufmann und ein hoch bewunderter Würdenträger unter den Protestanten von Paris.«
Christian hielt inne, als wollte er Tannhäusers Reaktion auf die Nachricht abwarten, dass seine Frau bei einer bekannten Hugenottenfamilie wohnte. Im gegenwärtigen Klima in der Stadt war diese Kunde kaum willkommen.
Tannhäuser sagte: »Sprecht weiter.«
»Roger kam letztes Jahr bei den Aufständen nach dem Tod der Gastines im dritten Hugenottenkrieg ums Leben. Symonne hat seine Geschäfte weitergeführt. Sie importiert mit beträchtlichem Erfolg Goldborte aus den Niederlanden.«
»Das freut mich für sie. Warum ist sie Gastgeberin meiner Frau?«
Christian wedelte mit den Händen. »Sie sind beide
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